Ein Porträt Das Leben des Wolfgang Krumnacker

Der 72-jährige Meerbuscher spricht über seine düstere Kindheit und Liebesgeschichten.

Wolfgang Krumnacker macht das Engagement für Kinder und Jugendliche glücklich: Unter anderem ist er Vorlesepate.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Wolfgang Krumnacker hat die „beste Ehefrau der Welt“, beglückt Kinder mit seinen Vorlese- und Zauberkünsten, hat vor rund 50 Jahren aufgehört zu rauchen und trinkt keinen Alkohol mehr: „Meine einzige Sucht ist das Kochen und auch das Essen.“ Also scheint alles im Lot zu sein. Erst ein Blick zurück macht deutlich, dass seine 72 Lebensjahre alles andere als normal verlaufen sind.

Als Wolfgang Schlüssel geboren – den Namen Krumnacker hat er von seiner Frau übernommen – ist er in Düsseldorf mit Kinderarbeit und unter Schlägen seines Vaters groß geworden: „Ich musste schon als Achtjähriger nach der Schule und am Wochenende in unserer Freilandgärtnerei arbeiten.“ Mit 16 Jahren suchte er einen Ausweg, meldete sich im Boxverein an, trainierte, und als sich sein Vater ihm wieder in den Weg stellte, drohte er damit, zurückzuschlagen. „Ich wog 54 Kilo, war ein Hänfling, aber es hat abgeschreckt, und ich wurde nie wieder angerührt“, erzählt der Mann, der heute unter dem Kurznamen Krumi als Vorlesepate in Kindergärten und Schulen beliebt ist.

Er macht sich Gedanken, weshalb er die Arbeit mit Kindern so liebt, warum er Glücksgefühle empfindet, wenn er auf fröhliche Jugendliche trifft: „Meine Kindheit bestand nur aus Angst. Ich möchte, dass es den Kindern heute gut geht.“ Seine Beliebtheit ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass sich Krumi „eine gewisse Albernheit“ bewahrt hat und nie richtig erwachsen werden möchte. Auf diese Leichtigkeit zugeschnitten aber war sein Lebensweg nicht.

Mit 18 Jahren ist er vom Boxtraining umgestiegen auf „Altbier und Rothe Hand“. Zigaretten gehörten ebenso dazu wie Musik. Wolfi – wie er genannt wurde, spielte Mitte der 1960er Gitarre und Waschbrett, mischte bei den beliebten „Altstadt Ramblers“ mit und war Mitbegründer des „Em Pöötzke“, der ältesten Jazz-Kneipe Düsseldorfs. Aber der Junge aus Mörsenbroich arbeitete in der Altstadt auch als Türsteher: „Ich habe schon in frühen Jahren Kontakt zum Milieu bekommen, auch für ‚große Leute‘ gearbeitet, aber abgerutscht bin ich nie.“

Krumnacker heiratete 1967
eine Kneipenbekanntschaft

Alkohol aber war schon manchmal im Spiel – auch am Abend Ende Dezember 1967, als er die Entlassung aus der Bundeswehr feierte. Im „Domino“, einer Kifferkneipe, traf er eine hochschwangere Frau. Sie berichtete, dass der Vater des Kindes sie nicht heiraten wollte. „Dann heirate ich dich“, tröstete Schlüssel, und ging mir ihr am 2. Februar 1968 zum Standesamt: „Ohne Wohnung, ohne alles – am 22. März kam ‚mein‘ Sohn zur Welt.“ Die Mutter ist verstorben und zum Sohn und den Enkeln besteht kein Kontakt mehr. „Ich habe ja in Meerbusch mindestens 500 Enkelkinder,“ sagt er lachend.

Sein Leben ging mit einem Semester Studium an der Abendschule in den 1970ern als erfolgreicher Personalchef am Kaufhof Kö mit rund 1200 Mitarbeitern weiter, das verlockende Angebot, eine Führungsposition in der Metro anzutreten, lehnte er ab: „Das hätte mich auf Dauer krank gemacht.“

Stattdessen wird er Boutique-Besitzer und taucht in die Oberkasseler Gastronomie-Szene ein. Wolfi war bekannt, arbeitete unter anderem als Inhaber, Angestellter oder auch DJ in der „Zille“, dem „Prinzinger“ und dem damaligen „Oberkasseler Hof“. „Aber ich merkte, dass ich mit der Stufe der Selbstständigkeit auch die Stufe meiner Unfähigkeit erreicht hatte“, erinnert er sich. Trotzdem ist auch aus dieser Zeit etwas geblieben. Der Gitarrist erarbeitete damals das Musikkonzept fürs Schlösser-Zelt auf der Großen Kirmes: „Das ist bis heute ein Erfolg.“

Noch wichtiger aber ist, dass er in der Gastronomiezeit seine dritte Frau kennenlernte und per Fax einen Heiratsantrag machte: „Sie ist das Allerallerallerbeste, was mir je passiert ist, der erste Mensch, der sich um mich Sorgen macht.“ Aber die Einschränkung folgt sofort: „Das heißt nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Wir sind politische Feinde.“ Dabei fällt Wolfgang Krumnacker, der mit Ehefrau Doris seit 1992 in Büderich lebt, eine andere politische Bewegung ein: „Anfang der 1980er war ich aktiv auf Demos für die Friedensbewegung unterwegs und habe dabei mein Musik-Idol Harry Belafonte getroffen.“