Konzert Kerson Leong spielt meisterhaft
Wuppertal · Das vierte Sinfoniekonzert bot hohe Qualität vor teils leeren Rängen in der Stadthalle.
Die klassische Musik ist nicht bei der Spätromantik beziehungsweise dem Impressionismus stehen geblieben. Sie entwickelt sich immer weiter. Sehr gute Tonschöpfungen entstanden und entstehen seitdem immer noch. Und es gehört mit zur Aufgabe des Sinfonieorchesters Wuppertal, nicht nur die „Egerländer Welthits der Klassik“ zu spielen, sondern auch moderne Werke zu pflegen. Nur hätte beim vierten städtischen Sinfoniekonzert die Neugier darauf größer sein können. Denn im Großen Saal der Stadthalle waren etliche Stühle leer, als zwei erstklassige Kompositionen des letzten Jahrhunderts präsentiert wurden.
Moderne Werke und
ein Hit der Klassik
György Kurtág ist zweifelsohne der wichtigste noch lebende ungarische Komponist. Wie kaum ein anderer kann er mit nur wenigen Tönen einen ganzen Kosmos der menschlichen Existenz, der Trauer, aber auch Hoffnung entwickeln. Das etwa neunminütige Werk „Grabstein für Stephan“ (op. 15c) aus den Jahren 1978/79 und 1989 ist ein beredtes Beispiel dafür. Es ist für Gitarre und im Raum verteilte Instrumentalgruppen konzipiert. Unter dem genauen Dirigat von Generalmusikdirektorin Julia Jones erklang diese gehaltvolle Musik mit ihren mannigfaltigen perkussiven Elementen von beiden Emporen, den beiden Saalseiten unten und der Bühne fein austariert und tief nachempfunden.
Béla Bartóks zweites Violinkonzert, 1937/38 komponiert, ist zwar klar in H-Dur notiert, die eingängige Melodie auf folkloristischen Modellen basierend. Doch das Seitenthema des ersten Satzes ist ein reines Zwölftonthema mit tonalen Bezügen. Auch das Seitenthema des Finales ist zwölftönig angelegt. Der Komponist ist aber den Schritt hin zur Atonalität nicht gegangen.
Hier war es der junge kanadische Geiger Kerson Leong, der begeisterte. Lupenrein artikulierte er jede vom Komponisten penibel notierte Nuance. Vom Orchester erstklassig begleitet, meisterte er selbst die halsbrecherischsten Passagen spielerisch leicht und spielte leidenschaftlich das Variationswerk tief ausgelotet hochmusikalisch mit einem sehr emotionalen Gehalt. Gerade die für Bartók ungewöhnlich aufrüttelnde Tonsprache, Ausdruck seiner inneren Kämpfe ohne jede Zufluchtsmöglichkeit, verdeutlichte er allgemeinverständlich mit festem Zugriff. Außerordentlich lyrisch entlockte er dagegen seinem Instrument das sanfte Gesangsthema des Binnensatzes. Traumhaft schön gestaltete er zudem als Zugabe ein Andante von Johann Sebastian Bach.
Nach der Pause gab es dann mit der vierten Sinfonie von Johannes Brahms einen der Klassikhits. Unter der umsichtigen Stabführung von Julia Jones legten sich die städtischen Sinfoniker von der ersten bis zur letzten Note mächtig ins Zeug. Dank eines volltönenden, stets durchhörbaren Klangs und groß angelegter musikalischer Spannungsbögen kam dieses Opus 98 in e-Moll sehr packend zur Aufführung.
Lang anhaltende, stehende Ovationen waren schließlich der berechtigte Dank für eine inhaltsreiche Matinee.