Den Sternen so nah im Galileum

In Solingen erwartet Besucher ein modernes Planetarium in einem stillgelegten Kugelgasbehälter mit Sternwarte.

Im Planetarium zaubert ein drehbarer Chronos-Projektor das Weltall fast dreidimensional in die riesige Kuppel der ehemaligen Gaskugel. Frank Lungenstraß, „Mr. Galileum“, ist einer der Macher des Großprojekts.

Foto: Christian Beier

Als aufstrebendster Stadtteil Solingens ist Ohligs – im Westen der Klingenstadt an Haan, Hilden und Langenfeld grenzend – ohnehin einen Besuch wert. Zahlreiche Bauprojekte und Verschönerungsmaßahmen sind im Bau oder bereits fertig, der Zuzug der letzten Jahre ist enorm. Ob Fußgängerzone und lebendiger Marktplatz, Ohligser Heide und Naherholungsgebiet: Ohligs ist facettenreich.

Anfang Juli ist nun noch eine weitere Attraktion hinzugekommen, deren Errichtung einem Marathon gleichkam: „Im Endeffekt haben wir 13 Jahre gebaut“, umschreibt es Dr. Frank Lungenstraß gerne. Der Physiker und Astronomie-Fan ist Geschäftsführer des Galileums, einem bisher einzigartigen Projekt – weltweit. Als mutig bis wahnsinnig bezeichnet er die Idee, die inzwischen Realität geworden ist: In einem stillgelegten Kugelgasbehälter entstand ein hochmodernes Planetarium, das von einem Nebengebäude betreten werden kann. So etwas war zuvor noch nie gewagt worden. „Schon gar nicht von so einem kleinen Verein, wie wir es sind“, bezieht sich Lungenstraß auf die Walter-Horn-Gesellschaft. Der Namensgeber sorgte schon in den 1920er-Jahren für eine Sternwarte in Solingen, sein Verein wurde nach seinem Ableben nach ihm benannt. Rund 100 Mitglieder hat der Verein heute, der aktive Kern ist noch deutlich kleiner.

2006 begann die Gesellschaft mit Überlegungen, wie es mit der Sternwarte in Solingen – zuvor an einem Standort im Stadtteil Wald – weitergehen könnte. So kommt Lungenstraß auf symbolische „13 Jahre Bauzeit“, war die Reise zum neuen Standort doch von vielen Höhen und Tiefen geprägt. Realer Baubeginn war 2016.

Doch was dafür entstanden ist, war jeden Schweißtropfen, jede Träne wert: „Auf dem Weg zum Galileum gab es jedes mögliche Gefühl“, gibt Lungenstraß zu, wenn er heute auf dem Dach des neu errichteten Nebengebäudes sitzt. Die Aussicht hier oben ist unübertroffen, bei klarem Wetter gibt es gut 30 Meter über dem Boden freie Sicht bis Rhein und Ruhr. Standard ist der Besuch des Dachs auf dem Turm, der acht Etagen oberhalb der Erde ausweist, für viele Gäste aber nicht. Noch nicht. Denn oben befindet sich die Sternwarte, viel altes und während der Bauzeit neu beschafftes Equipment vom alten Standort kommt hier zum Einsatz. Bisher wird hier vor allem geforscht, und die Vereinsmitglieder beobachten den Sternenhimmel. Hier wird Dr. Frank Lungenstraß bald auch einen Astronomie-Kurs geben. „Wir überlegen aktuell, wie wir die Sternwarte ins reguläre Programm einbeziehen“, sagt er. Das Problem ist klar: 84 Plätze bietet das Planetarium, mehr als 20 Menschen können nicht auf das etwa 70 Quadratmeter große Dach. Zumal ohnehin nur zwei Besucher gleichzeitig durch die Teleskope gucken können: „Und die, die hier hochkommen, sollen ja auch etwas sehen.“ Eine schnelle Abfertigung soll es nicht geben, die Besucher sollen etwas mitnehmen können.

Womit wir bei der Haupt-Attraktion des neuen Ohligser Leuchtturms wären: dem Planetarium im ehemaligen Gasbehälter. Dr. Frank Lungenstraß erklärt, was das eigentlich ist: „Mit der Sternwarte beobachten wir die echten Sterne, im Planetarium sehen wir künstliche Sterne.“ Projektoren aus Japan, Software aus Frankreich: Bei der Eröffnung verrieten Vertreter der Fachfirmen: Das Galileum und dessen Technik seien in Europa einzigartig. „Hier können wir den Himmel sehen, wie wir wollen. Zu jeder Zeit, von jedem Ort, ob von der Erde oder aus der Milchstraße.“ Lungenstraß beginnt bei seinen Vorführungen gerne mit einer Sicht in den Himmel, wie sie aus Solingen wäre. „Dann nehmen wir das Stadtlicht weg, und wir sehen den Sternenhimmel wie in einer abgelegenen Wüste. Wir können den Himmel darstellen, wie wir ihn sehen würden, wenn der Blick durch nichts beeinträchtigt würde.“ Der japanische Sternenprojektor projiziert in die Kuppel mit ihrem Durchmesser von zwölf Metern, während sich die 84 Besucher pro Vorstellung in ihren Sitzen zurücklehnen können. Rund 8500 Sterne werden in brillanter Auflösung projiziert. „Es ist einfach nur schön, den Himmel sehen zu können, wie er aussehen könnte.“ Etwa 2000 Menschen kamen beim Besuchertag in diesen Genuss, als den ganzen Tag über kostenfrei 20-minütige Schnipsel der Möglichkeiten dargeboten wurden. Bernhard Fodor war einer der Besucher, die sich ein Bild machen konnten: „Alleine das Gelände hier ist schon imposant. In der Kugel zu sitzen ist grandios.“ Denn dort wird weitaus mehr präsentiert als der Sternenhimmel, wie das Motto des Galileums unterstreicht: „Mehr als irgendwas mit Sternen.“

Das Planetarium will sich familienfreundlich präsentieren

Für die Kuppel gibt es eigens produzierte Filme, die über Himmelskörper hinausgehen. „Wir zeigen astronomische Dinge, aber auch ganz andere.“ Ein Schwerpunkt: Kinder- und Familienfreundlichkeit. „Captain Schnuppes Weltraumreise“, eine Produktion des Planetariums Laubheim mit Kinderbuchautor Martin Klein, oder „Lars – Der kleine Eisbär“ sind im Programm und speziell für die 360-Grad-Darstellung produziert. „Das Kinderprogramm kommt bisher super an.“ Kinder ab dem Vorschulalter werden angesprochen, zuvor ist es eher schwierig: Denn komplett dunkel wird es im Planetarium in jedem Fall. „Die Rettung der Sternenfee Mira“ kommt bald hinzu: Überhaupt gibt es ab Oktober das neue Programm. Der angrenzende Sternenweg mit etlichen Spielmöglichkeiten rundet das Familien-Erlebnis beim Austoben ab.

„Orchideen – Wunder der Evolution“ der Fachhochschule Kiel oder „Die Entstehung des Lebens“, eine Produktion von Mirage 3D, sind weitere Programm-Highlights. Unter dem Sternenhimmel passiert aber noch viel mehr. Ein weiterer Schwerpunkt: Musik. Ein Live-Konzert einer Harfenistin hat es bereits gegeben, Rockmusik unter dem Sternenhimmel und weitere Live-Events sollen folgen. Das Kuppel-Programm bietet zudem ab Oktober „Queen Heaven“ zur gleichnamigen Band, eine speziell für Planetarien produzierte Reise durch die Band-Geschichte. Zudem wird „Space Rock Symphony“ das Programm erweitern. Kabarett, Lesungen und Kleinkunst sind ebenso in der Planung. Und kürzlich verlieh das Standesamt Solingen dem Ort die Würde: Ab 2020 kann auch unter dem Sternenhimmel geheiratet werden.

Das Planetarium betritt man von der dritten Etage des Nebengebäudes, auch das ist einzigartig. Im Turm gibt es unter anderem einen Seminarraum, der schon jetzt für Weihnachtsfeiern ausgebucht ist. Anfragen zu Feiern oder Jahreshauptversammlungen kommen stetig herein, der Besuch des Planetariums gibt dem jeweiligen Event die spezielle Würze. Im Turm selbst gibt es wechselnde Ausstellungen zu sehen. Noch bis April geht es um Apollo und die Mondlandung.

Das Planetarium ist damit Ort für die Bürger der Stadt, die Schüler, Astronomie-Fans, Besucher von überall, Musik-Fans oder wissenschaftliche Vorträge und Experten-Treffen – also für jedermann. „Die Kugel ist ein Glücksfall“, sagt Lungenstraß. An den Anblick mussten sich die Solinger übrigens erst einmal gewöhnen: Seit der Gasbehälter-Errichtung 1957 prägte die grüne Kugel das Stadtbild – kurz vor der Eröffnung wurde sie dann blau gestrichen.