Amtsrichter will Facebook-Mitarbeiterin vorladen
Reutlingen (dpa) - Ein Reutlinger Amtsrichter, der im Prozess um einen Einbruch die Facebook-Daten eines Angeklagten beschlagnahmen will, kommt in der Auseinandersetzung mit dem Internet-Riesen nicht weiter.
Facebook verweise inzwischen darauf, dass die Daten des Angeklagten auf einem Server in den USA gespeichert sind. Dort seien sie dem Zugriff der europäischen Behörden zunächst einmal entzogen, sagte Richter Sierk Hamann am Donnerstag. Als nächstes werde er deshalb die „Policy Managerin“ von Facebook in Brüssel, die frühere SPD-Europaparlamentarierin Erika Mann, als Zeugin laden. „Das ist im Moment die einzige Möglichkeit, dass man sich mal mit jemandem bei Facebook unterhält“, sagte er.
Hamann erhofft sich von den Facebook-Daten des Angeklagten Hinweise darauf, ob der 20-Jährige an einem Einbruch beteiligt war. Der Prozess könnte dabei zum Präzedenzfall werden. Denn wenn Hamann auf offiziellem Rechtsweg an die Facebook-Daten des Angeklagten herankäme, hätte das nach Einschätzung von Experten Vorbildcharakter für zahlreiche Strafverfahren in Deutschland.
Facebook verwies am Donnerstag auf Anfrage darauf, mit Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Man lege die Kontounterlagen aber ausschließlich auf der Basis der Nutzungsbedingungen und nach geltendem Recht offen. Dazu zähle auch ein Bundesgesetz der USA, der „Stored Communications Act“. Für die Kommunikation mit den Behörden gebe es ein eingespieltes Verfahren, das man auf einer Sicherheits-Seite auf Facebook auch beschrieben habe. Der Amtsrichter in Reutlingen sei auch nicht der erste Richter in Deutschland, der eine entsprechende Anfrage gestellt habe. Zu den Inhalten auf der persönlichen Seite eines Facebook-Mitglieds könne aber weder Facebook Deutschland noch eine Mitarbeiterin von Facebook in Belgien etwas sagen.
Richter Hamann warf dem Konzern vor, „widersprüchliche und verwaschene Angaben“ zu machen. Entscheidend für die Frage, ob das soziale Netzwerk Daten an Justizbehörden herausgeben müsse, seien nicht die Betriebsrichtlinien von Facebook, sondern die Gesetze.
Hamann hatte seinen Beschlagnahme-Beschluss zunächst an Facebook Deutschland geschickt. Von dort bekam er nach eigener Darstellung eine Absage, weil nur die Kollegen in Irland Zugriff auf die Daten des Angeklagten hätten. Daraufhin habe er den Beschluss ins Englische übersetzen lassen und ihn an die Facebook-Europazentrale geschickt. Als er auch nach mehreren Monaten noch keine Antwort bekommen habe, sei er noch einen Schritt weiter gegangen und habe ein Rechtshilfeersuchen an die irischen Behörden gestellt.
Die Kollegen dort seien auch sofort tätig geworden, sagte Hamann. Doch von Facebook sei die Antwort gekommen, dass die Daten des Angeklagten auf einem Server in den USA gespeichert seien. Um dort an die Daten heranzukommen, müsste nun ein Rechtshilfeersuchen an die US-Behörden gestellt werden. Außerhalb der Europäischen Union sei das allerdings ein extrem aufwendiges Verfahren, das den Rahmen des Prozesses am Amtsgericht sprengen würde.
Von Facebook jedenfalls hätte er sich etwas mehr Kooperationsbereitschaft gewünscht, sagte Hamann. „Ich habe so den Eindruck, dass Facebook nicht gerade dabei ist, der Wahrheitsfindung in diesem Prozess zu dienen.“ Auch der Angeklagte, der sich nach eigenen Angaben selbst darum bemüht, seine Daten ausgehändigt zu bekommen, habe bislang noch keine Antwort auf seine Anfrage erhalten.
Einige Hoffnungen setzt der Richter jetzt noch in das „Übereinkommen über Computerkriminalität“, in dem zahlreiche Staaten eine intensive Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Cyberkriminalität vereinbart haben. Dieses Übereinkommen, das auch die USA unterzeichnet haben, könnte die irischen Behörden autorisieren, die Daten einzusehen und dann an das Amtsgericht Reutlingen zu übermitteln, sagte Hamann.
In einigen Jahren allerdings werde es für die deutschen Behörden ohnehin leichter sein, bei Facebook gespeicherte Daten einzusehen. Das weltgrößte Online-Netzwerk baut in den nächsten Jahren ein Datenzentrum in Schweden - also in der Europäischen Union. „Wenn die ihre Daten erstmal in Schweden haben, dann steht da eben notfalls die Polizei vor der Tür und holt die Daten raus“, sagte der Richter.