Analyse: Vodafone bläst zum Angriff auf die Telekom
London/München (dpa) - Vodafone will im Duell mit der Deutschen Telekom mächtig aufrüsten. Der britische Mobilfunker greift nach dem größten deutschen Kabelnetzbetreiber und möchte im engen und heiß umkämpften Breitbandmarkt vor allem Platz und Kunden kaufen.
Die Attacke wollen sich die Briten einiges kosten lassen - bis zu 10,7 Milliarden Euro ist der Konzern bereit, auf den Tisch zu legen. Die Führung von Kabel Deutschland findet die Offerte attraktiv und empfiehlt den eigenen Aktionären zuzugreifen. Wie schnell und wie viele dem folgen, gehört zu den Unwägbarkeiten des Riesengeschäfts.
Die Aktien von Kabel Deutschland befinden sich weitgehend im Streubesitz. Um wirklich Erfolg zu haben, muss Vodafone sich 75 Prozent der Anteile sichern. Erst dann können die Briten in München durchregieren. Zuvor muss aber das Bundeskartellamt dem Geschäft zustimmen. Offen ist, ob das ohne Auflagen passieren wird, denn die Wettbewerbshüter haben ein strenges Auge auf den Kabelmarkt. Die Partner feiern das Zusammengehen bereits. „Die Unternehmen ergänzen sich ideal“, sagte Kabel-Deutschland-Chef Adrian von Hammerstein am Montag. Vodafone-Lenker Vittorio Colao erwartet für beide nach einer Anlaufzeit jährliche Einsparungen von 300 Millionen Euro.
Die Ironie der Geschichte: Mit dem Kauf von Kabel Deutschland würde sich der Telekom-Rivale ein Netz einverleiben, dass die Bonner selbst aus Wettbewerbsgründen einst abgeben mussten. Seither haben sich die Zeiten und der Markt allerdings radikal verändert. Längst geht es nicht mehr nur um Fernsehen. Kabel Deutschland, aber auch die deutsche Nummer zwei UnityMedia KabelBW, machen der einst staatlichen Mutter heute vor allem bei Telefon- und Internetanschlüssen Konkurrenz. Es sind vor allem die technischen Möglichkeiten und die großen Wachstumschancen des Kabelnetzes, das Vodafone reizen.
Denn das Breitband aus dem herkömmlichen Telefonnetz wird manchem schon zu eng. Etliche Milliarden werden Mobilfunker und Telekomanbieter in den Ausbau und die Modernisierung ihrer Netze stecken müssen. Die Deutsche Telekom wollte auch deswegen ihre Kunden stärker als bisher zur Kasse bitten. Doch die Pläne zur Drosselung der Internetgeschwindigkeiten für Vielnutzer sorgten für einen empörten Aufschrei - das Twitter-Schlagwort „Drosselkom“ hat auch längst außerhalb des Netzes Bekanntheit erlangt. Schritt um Schritt mussten Chef René Obermann und sein Nachfolger Timotheus Höttges zurückrudern und die Pläne teilweise wieder kassieren.
Doch das Bestreben der Bonner bleibt, mehr Geld zu verlangen, wenn mehr Daten durch die teils überlasteten Netze brummen. Ein Problem, das Kabel Deutschland nicht so sehr auf den Nägeln brennt: Die Breitbandtechnologie im Fernsehkabel erlaubt schnellere Geschwindigkeiten und deutlich mehr Durchsatz als im Kupferkabel der Telefonleitungen. Zudem: Im Markt mit Paketen aus TV, Telefon und Internet lässt sich in den kommenden Jahren einiges an Wachstum schaffen. Im Mobilfunkmarkt dürfte es den Anbietern wegen der großen Zahl von Handyverträgen schwer fallen, den Kundenstamm noch deutlich zu erweitern. Mit Angeboten aus einer Hand hofft Vodafone, Kunden erheblich fester und länger zu binden.
Gerade deswegen sind auch die Mobilbestrebungen von Kabel Deutschland interessant. Mit WLAN-Sendern an Kabelverteilstationen wollen sie ihr leistungsfähiges Netz in Ballungsräumen auch an Mobilkunden vermarkten. Die buchen sich über ihr Smartphone in das (im Vergleich zu UMTS oder LTE) schnelle WLAN ein und entlasten die Mobilfunknetze. Denn diese drohen wegen des anschwellenden Datenverkehrs aus allen Nähten zu platzen, wenn die Entwicklung weitergeht. „Es wird mit einem Wachstum von 80 Prozent pro Jahr gerechnet“, sagt Kabel-Deutschland-Chef Adrian von Hammerstein. In Cafés, Restaurants, aber auch im Freien könnte Kabel über die WLAN-Hotspots den etablierten Mobilfunkern Kunden klauen. Starten soll das Angebot eventuell noch in diesem Jahr.
Ohnehin sehen sich die Mobilfunker unter Druck und fühlen sich von staatlichen Regulierern gegängelt. Da macht es aus ihrer Sicht Sinn, für neue Geschäfte Geld auszugeben: Vor drei Jahren zum Börsengang hätte Vodafone-Konzernchef Vittorio Colao Kabel Deutschland für knapp ein Viertel des heutigen Preises bekommen können. Doch damals sei das Geschäft ganz anders gewesen. In der Heimat hat Vodafone bereits eingekauft: Vor rund einem Jahr schluckte der Konzern die Netzfirma Cable & Wireless. „Cable & Wireless hat sich als richtig gutes Geschäft herausgestellt“, sagt Colao. Für das Glasfasernetz zahlte Vodafone 1,04 Milliarden Pfund (1,22 Mrd Euro).