Bäm! Nom Nom! - Verhunzt das Internet unser Deutsch?
Hannover (dpa) - Unvollständige Sätze, keine Kommas, Grammatik - egal. Im Internet herrscht Rechtschreibe-Anarchie. Wo Sprachbewahrer einen Kulturverlust sehen, schlummert auch viel Kreativität.
A: „was machste we?“, B: „gehn essen, nom nom“, B: „jip!“, A: „späta party?“, B: „yup, bin dabei. bäm!“. So oder so ähnlich könnte es aussehen, wenn sich zwei junge Leute über Facebook oder WhatsApp fürs Wochenende verabreden. Sprachpuristen kommt da das Grausen. Auch manche Eltern befürchten, dass Chatten, Bloggen und Twittern die Sprache ihrer Kinder verhunzt. Doch Experten geben Entwarnung: Die digitale Kommunikation kann die Sprachgewandtheit sogar fördern.
SMS, E-Mail, Chat und soziale Netzwerke - ständig tippen wir irgendwelche Nachrichten. Statt mit der besten Freundin zu telefonieren, schicken wir schnell ein paar Kurznachrichten hin und her. Mit der Folge, dass wir schreiben wie wir sprechen: in Wortsplittern, Satzfragmenten und ohne genau auf Rechtschreibung und Grammatik zu achten.
Wir schreiben We statt Wochenende, Jip statt Jippie. Präpositionen und Pronomen werden weggelassen oder verschmelzen mit anderen Wörtern. Dazu kommt eine Fülle von emotionalen Ausdrücken wie haha, gähn, seufz, mmmh und nom nom für lecker oder bäm für totale Begeisterung. Denn wo Gesichtsausdruck und Stimmlage fehlten, müssten Worte Gefühle vermitteln, sagt der Hannoveraner Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski.
Forscher beobachten diese Abwandlung von Sprache schon seit vielen Jahren. Während früher vor allem Computer-Nerds Begriffe wie lol (Abkürzung für laut lachen) oder omg (Abkürzung für Oh, mein Gott!) nutzten, sind diese heute für viele selbstverständlich. Die Webseite Buzzfeed hat zum Beispiel ihre Rubriken teilweise so benannt.
Auch die Kommentare zu Wikipedia-Einträgen oder auf Facebook-Seiten seriöser Unternehmen wie der Deutschen Bahn zeigen einen lockeren Umgang mit Sprache. „Die Texte werden immer informeller“, hat die Linguistin Christa Dürscheid von der Universität Zürich festgestellt. Dazu beigetragen haben besonders WhatsApp und ähnliche Kurznachrichtendienste. Denn dort kommt es auf schnelle Antworten an. Sprachliche Schönheit? Egal.
Sprachbewahrer sehen angesichts dieser Entwicklung schwarz. Ihre Befürchtung: Gerade junge Leute, bei denen Rechtschreibung und Grammatik noch nicht gefestigt sind, könnten gar kein korrektes Deutsch mehr lernen. Schlobinski sieht da jedoch keine Gefahr. „Es macht keinen Sinn so zu schreiben wie Thomas Mann, wenn ich einen Tweet (Text auf Twitter) mit 140 Zeichen verfasse.“ Trotzdem seien Jugendliche noch in der Lage, ordentliche Schulaufsätze zu schreiben.
Diese Einschätzung unterstützt auch eine Studie von Christa Dürscheid in der Schweiz. Sie hatte vor vier Jahren untersucht, wie sich E-Mail, Chat und SMS auf das Schreiben von Jugendlichen in der Schule auswirkt. Ihr Ergebnis: Die meisten Schüler können unterscheiden, ob sie eine SMS oder einen Aufsatz schreiben. „Die Schreibkompetenz hat nicht nachgelassen - im Gegenteil. Sie ist breiter geworden“, meint Dürscheid.
Denn eine einheitliche Websprache gibt es nicht. In einer E-Mail schreibt man anders als im Chat. Jedes Forum und jede Clique hat ein eigenes Vokabular. Da ist viel Sprachgefühl gefragt.