Regierung plant Überprüfung Breite Kritik an Gesetz gegen Hassbotschaften im Web

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung setzt angesichts breiter Kritik an den neuen Vorschriften zum Löschen von Hassbotschaften im Internet auf Erkenntnisse einer vorgesehenen Überprüfung.

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Es werde „sehr genau evaluiert werden, wie sich das Gesetz auswirkt und welche Erfahrungen mit ihm gemacht werden“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Dann gelte es, gegebenenfalls Schlüsse daraus zu ziehen. Laut Justizministerium müssen Betreiber sozialer Netzwerke bis Juni/Juli Berichte vorlegen, was auf welcher Grundlage gelöscht wurde. „Dadurch wird Transparenz geschaffen“, sagte eine Sprecherin.

Nach massiver Kritik aus der Opposition forderte nun auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) den Bundestag am Montag auf, „die Konsequenzen aus den verheerenden Erfahrungen“ des neuen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zu ziehen. Es mache keinen Sinn, „aus blindem Gehorsam gegenüber einer Koalition, die es nicht mehr gibt, an der Gaga-Vorschrift des NetzDG festzuhalten“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall.

Am Wochenende hatten bereits FDP, Grüne und Linke die Abschaffung des seit Jahresbeginn geltenden Gesetzes gefordert, nachdem mehrere Twitter-Accounts blockiert und Tweets gelöscht worden waren.

„Mit der Zensur der Satire-Zeitschrift Titanic durch den Kurznachrichtendienst Twitter haben sich unsere Befürchtungen bestätigt, die wir bereits im Gesetzgebungsverfahren vorgebracht haben“, erklärte Überall. Am Dienstag hatte Twitter den Account des Magazins und einen Tweet geblockt, der einen Beitrag der AfD-Politikerin Beatrix von Storch parodistisch aufs Korn nahm und dabei den Begriff „Barbarenhorden“ verwendete.

Seibert betonte, die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit sei von allerhöchstem Wert. In den vergangenen Jahren sei allerdings zu beobachten gewesen, wie hasserfüllte, Strafnormen verletzende Kommentare in sozialen Netzwerken zugenommen hätten, worin „ein Problem für die demokratische Gesellschaft und ihre Debattenkultur“ bestehe. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz reagiere darauf mit „einer neuen Herangehensweise“. Die „intensive Diskussion“, die es schon in der Entstehungsphase des Gesetzes gegeben habe, verwundere nicht.

„Das NetzDG schiebt die Macht über das Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit an Privatunternehmen wie Twitter und Facebook ab“, kritisierte dagegen Überall. Dass dort aus Angst vor staatlichen Bußgeldern entschieden werde, sei eine „paradoxe Situation“. Entsprechende Initiativen der kleineren Fraktionen des Bundestags für eine Abschaffung des Gesetzes sollten laut DJV ohne Fraktionszwang das Parlament passieren.

Unterdessen sorgt ein verschwundener Tweet des Bundesjustizministers und maßgeblichen Urhebers des Gesetzes für Wirbel. Seit dem Wochenende ist ein Beitrag von Heiko Maas aus dem Jahr 2010 auf der Plattform nicht mehr zu sehen, in dem er den Ex-Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin als „Idiot“ bezeichnete. Weder von ihm selbst noch von einem Mitarbeiter des Ministeriums sei er gelöscht worden, betonte das Justizministerium. Twitter betonte auf Anfrage, selbst keine Tweets zu löschen, das könnten nur die Nutzer selbst.