Kritik wächst Gesetz gegen Hassrede - Was soll und was kann es bewirken?
Berlin (dpa) - Eine Woche nach Inkrafttreten gerät das neue Gesetz gegen Hassrede im Netz erneut heftig in die Kritik. Der Forderung der Opposition vom Wochenende, das Gesetz unverzüglich abzuschaffen, schloss sich auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) an.
Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall sprach von einer „Gaga-Vorschrift“. Empörung hatte zuletzt unter anderem ein gesperrter Twitter-Account des Satire-Magazins „Titanic“ ausgelöst. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Worum geht es beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz?
Hassrede, Aufrufe zur Gewalt und Fake News haben sich in sozialen Netzwerken zu einem schnell wachsenden Problem entwickelt und rütteln an den demokratischen Grundfesten. Je länger solche Beiträge gelesen und geteilt werden, umso verheerender ist meist die Wirkung. Facebook etwa unterhält zwar auch in Berlin eigene Löschteams, die solche Beiträge sichten und gegebenenfalls sperren. Von der Politik wurde den Unternehmen aber immer wieder vorgeworfen, nicht genug gegen Hass und Gewalt auf ihren Plattformen zu unternehmen. Das neue Netz-Gesetz soll das ändern.
Was sieht das Gesetz vor?
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gilt seit dem 1. Januar. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will damit Plattformbetreiber wie Facebook und Twitter noch stärker in die Pflicht nehmen. Das Gesetz setzt bestimmte Löschfristen bei offensichtlich strafbaren Inhalten wie Volksverhetzung. Offenkundig strafbare Inhalte sollen innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden, bei schwieriger zu entscheidenden Fällen soll innerhalb von sieben Tagen dagegen vorgegangen werden. Wer dieser Forderung wiederholt und systematisch nicht nachkommt, dem drohen Bußgelder in Millionenhöhe.
Was monieren Kritiker des Gesetzes?
Das Gesetz ist nach Einschätzung seiner Kritiker mit heißer Nadel gestrickt und legt es in die Hand der Plattformbetreiber, neben klaren Rechtsverstößen auch über viele juristisch zweifelhafte Fälle zu urteilen. Das sei aber die Sache von Gerichten. Befürchtet wird zudem, dass die Betreiber in vorauseilendem Gehorsam in Zweifelsfällen lieber löschen oder sperren. Das könne zu einer Zensur von unliebsamen Beiträgen jedweder Couleur führen und letztlich zur Einschränkung der Meinungsfreiheit. Mit der Sperrung des Twitter-Accounts der Satire-Zeitschrift „Titanic“ hätten sich ihre Befürchtungen bestätigt, sagte Frank Überall, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Das Magazin hatte in einem Tweet einen umstrittenen Beitrag der AfD-Politikerin Beatrix von Storch parodistisch aufs Korn genommen und dabei den Begriff „Barbarenhorden“ verwendet.
Wie steht das Justizministerium dazu?
Justizminister Maas hält trotz der wachsenden Kritik an dem Gesetz fest. Auch bei Leserbriefen von Zeitungen müsse vorab geklärt werden, ob diese veröffentlicht werden könnten oder nicht, sagte Maas der „Bild“-Zeitung. Ein solches Vergehen müsse auch von den Plattformbetreibern eingefordert werden können. „Das ist auf den Leserbriefseiten aller Zeitungen so, warum soll das bei Twitter und Facebook anders sein?“ Die Löschpraxis scheine aber öfter nicht richtig zu funktionieren. Unklar blieb der Verbleib eines verschwundenen Tweets von Maas selbst, in dem er vor rund acht Jahren den Ex-Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin als „Idiot“ bezeichnet hatte. Weder von Maas noch von einem Mitarbeiter des Ministeriums sei er gelöscht worden, betonte das Justizministerium. Twitter betonte auf Anfrage, selbst keine Tweets zu löschen, das könnten nur die Nutzer selbst.
Wie geht es weiter?
Die Plattformbetreiber müssen laut NetzDG halbjährlich Bericht über ihre Sperr- oder Löschpraxis abgeben. Das Bundesjustizministerium geht davon aus, dass ab Juni/Juli erste Berichte vorliegen werden. Dann solle Transparenz geschaffen werden, auf deren Basis die Wirksamkeit des Gesetzes überhaupt erst beurteilt werden könne, hieß es. Es müsse „sehr genau evaluiert werden, wie sich das Gesetz auswirkt und welche Erfahrungen gemacht werden“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit sei dabei von allerhöchstem Wert.