CeBIT-Trend „Shareconomy“: Benutzen statt Besitzen
Hannover (dpa) - Das Internet macht's möglich: Alles wird geteilt. Was einst mit Musik-Tauschbörsen begann, gibt es heute als neue Kultur des Teilens bei Autos, Wohnungen oder WLAN-Netzen. Auf der CeBIT ist zu sehen, wie man damit Geld verdienen kann.
Ein grün-weißes Auto soll der Vorbote einer Konsumrevolution werden. Das hofft zumindest Oliver Lünstedt. Seine Firma hat den kleinen Wagen in einer der Hallen auf der weltgrößten Computermesse CeBIT aufgestellt und mit einem Blaulicht dekoriert. Das Auto ist ihr Produkt, aber die Firma verkauft es nicht. In Lünstedts Welt soll sowieso nicht viel gekauft werden: Stattdessen teilen, tauschen und mieten Menschen Dinge, die sie für eine kurze oder längere Zeit benötigen, von Freunden oder Fremden. Gemeinschaftlicher Konsum wird das genannt, die CeBIT machte daraus den diesjährigen Messe-Trend „Shareconomy“.
„Warum sollten wir immer mehr Fahrzeuge kaufen, statt die, die es schon gibt, zu vernetzen?“, fragt Lünstedt. Sein Unternehmen Carzapp will Privatleute zur gegenseitigen Autovermietung zusammenbringen, in wenigen Wochen soll es in Berlin mit den ersten hundert Fahrzeugen starten. Andere Unternehmer sind ebenfalls auf diese Idee gekommen, es gibt zahlreiche Angebote, auch von großen Autobauern.
Einige davon sind dezentrale Autovermietungen, bei denen Menschen über eine App auf ihren Handys ein Auto leihen können, dass im Idealfall direkt um die Ecke geparkt steht. Bei Carzapp oder der Website Nachbarschaftsauto dagegen besitzt das Unternehmen selbst keine Flotte, es erstellt nur die Plattform, die Bieter und Sucher zusammen bringt. Dafür behält die Firma einen Teil der Miete als Provision ein.
Tauschgeschäfte waren früher auf die eigenen Freunde, Bekannten und Nachbarn beschränkt. Hatte keiner von ihnen einen Schlagbohrer oder einen Kleinlaster, musste man sich an ein Unternehmen wenden oder selbst entsprechendes Gerät zulegen. Das Internet ermöglicht nun die Vernetzung tausender Tauschwilliger und macht so gezielte und ausgefallene Geschäfte möglich.
17 Prozent der Internetnutzer in Deutschland haben schon einmal Dinge über das Internet mit anderen geteilt, ergab eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom. Sie vermieten ihre Wohnung an Fremde, leihen einander Rasenmäher oder Bohrmaschinen und tauschen gebrauchte Kleidung. „Wir wechseln von einer Welt des Besitzens in eine Welt des Teilens“, sagt Dieter Kempf, Präsident des Verbands.
Auch die Sorge um Überkonsum spielt eine Rolle. „Ich glaube, dass unser Wirtschaftsmodell so nicht weitergehen kann“, sagt Martin Reiter, der beim Internetunternehmen Airbnb für die internationale Ausbreitung zuständig ist. Über Airbnb können Menschen ihre Wohnungen an Feriengäste vermieten, drei Millionen Reisende buchte das Unternehmen im vergangenen Jahr. Seine Verfechter verweisen auf den nachhaltigen Effekt gemeinschaftlichen Konsums. Dinge, die sonst ungenutzt wären oder weggeworfen würden, werden so zu Geldbringern. Das US-Wirtschaftsmagazin Forbes schätzte den Jahresumsatz von Airbnb im Jahr 2012 auf 150 Millionen Dollar, glaubt aber, dass aufgrund der Expansion unterm Strich kaum Gewinn übrigblieb.
Die Ökonomie des Teilens habe im vergangenen Jahr gehörig an Schub gewonnen, sagt Reiter, auch wenn sie noch nicht bei der breiten Masse angekommen ist. Das zeigt auch die Bitkom-Studie: Junge Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, sind Tauschgeschäften gegenüber aufgeschlossener als ältere. Sie teilen Inhalte auf sozialen Netzwerken und schlagen Wissen auf kostenlosen Gemeinschaftswerken wie der Online-Enzyklopädie Wikipedia nach.
Auch die Finanzierung von kommerziellen, sozialen oder kulturellen Projekten kann in Gemeinschaftsarbeit über Internetplattformen erfolgen. Einen solchen Aufruf zum Geldsammeln will Carzapp am Mittwoch starten.