Cybermacht China: umworben und gefürchtet
Peking (dpa) - Die USA haben China öfter als Hort von Cyberangreifern gebrandmarkt. Mit der Hackerattacke auf Sony scheint alles anders. China wird als Partner für Cybersicherheit umworben. Eine Rolle, die Peking gefällt.
Hua Chunying wartet mit ihrer Antwort. Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums lässt ihren Blick über die internationalen Korrespondenten im Pressesaal des Ministeriums schweifen. Dann blättert sie durch ihre Unterlagen. Ob China dem Hilfegesuch der USA zur Abwehr von Cyberangriffen aus Nordkorea nachkommen werde, wollte ein US-Journalist von ihr wissen.
Ihre Lippen deuten ein Lächeln an, als sie antwortet. „Natürlich ist China bereit, einen internationalen Dialog über Cyber-Sicherheit zu führen“, sagt sie. Das fordere Peking ohnehin seit langer Zeit. „Aber jeder Dialog muss auf gegenseitigem Respekt beruhen.“
Die Worte sitzen. Immer wieder musste Hua Chunying auf Hackervorwürfe aus den USA antworten. Stets wurde Peking als der Bösewicht und Drahtzieher von Cybersabotage und Industriespionage dargestellt. Im Mai hatte US-Justizminister Eric Holder Anklage gegen fünf mutmaßliche Hacker der Volksbefreiungsarmee erhoben.
Wie Verbrecher wurden die Fotos der ranghohen Militärs auf Steckbriefen in einer Pressekonferenz präsentiert. Die Geste wurde in China als diplomatische Kampfansage gewertet. Peking bestellte aus Protest den US-Botschafter ein und stoppte eine Arbeitsgruppe mit den USA zur Cybersicherheit.
Der Schlagabtausch zwischen Washington und Peking ist rund ein halbes Jahr her. Jetzt plötzlich begegnen die USA China mit völlig neuen Tönen. Mutiert Peking für Washington vom Übeltäter zum umworbenen Partner in der internationalen Cyber-Sicherheit? Der Cyber-Angriff auf das Filmstudio Sony Pictures kam nach Einschätzung der USA aus Nordkorea. US-Präsident Barack Obama hat eine „angemessene“ Reaktion angekündigt. Und dabei soll China offenbar helfen, das für Nordkorea technisch das Tor zur Internetwelt ist.
Die freundlichen Töne aus Washington könnten Peking milde stimmen, sagt der außenpolitische Experte Cheng Xiaohe von der Volksuniversität in Peking der Deutschen Presse-Agentur. „Aber China wird keine direkte Hilfe leisten.“ Peking könnte allenfalls als Mittler bei Diskussionen der USA mit Nordkorea fungieren. Dabei werden Chinas Soldaten große Fähigkeiten als Cyber-Krieger zugeschrieben.
Zwölf Stockwerke hat das graue Bürogebäude in Shanghai. Hier soll die Spezialeinheit 61398 der Volksbefreiungsarmee ihren Sitz haben. 61398 ist nicht irgendeine Abteilung der Streitkräfte Chinas, sondern eine Truppe der modernsten Cyber-Krieger. Das behauptet zumindest die US-Sicherheitsfirma Mandiant.
61398 und andere Spezialabteilungen sollen weltweit für Angriffe und Sabotageaktionen verantwortlich sein. „China hat die Kapazität, überall auf der Welt zuzuschlagen“, schreibt der US-Militärexperte David Shambaugh von der George Washington Universität.
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat sein Land persönlich auf eine Modernisierung der Streitkräfte eingestimmt. „Wir müssen Anstrengungen unternehmen, um unter Land zu einer Cyber-Macht aufzubauen“, sagte Xi im Februar. Gleichzeitig kündigte er an, den Vorsitz einer neuen Führungsgruppe für Internetsicherheit zu übernehmen, die die Arbeit der Behörden und der Armee bündeln soll.
Es ist nicht klar, was die Gruppe bisher gemacht hat. Aber Militärexperten schreiben von Dutzenden, schnell wachsenden Cyber-Einheiten in China - bei der Volksbefreiungsarmee, der Polizei und dem Ministerium für Staatssicherheit. Xi sagt nur: „Keine Sicherheit im Internet bedeutet keine nationale Sicherheit.“