Der 160-Zeichen-Kult: Hat die SMS eine Zukunft?

Berlin (dpa) — 160 Zeichen reichen locker, um zu erklären, warum die Kurznachricht gerne totgesagt wird: einbrechender SMS-Versand und der Siegeszug internetbasierter Messenger. Damit ist die Malaise in aller Kürze beschrieben.

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Doch Experten sagen auch, dass die SMS noch längst nicht am Ende ist.

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Im Vergleich zu Messengern trumpft sie mit Kompatibilität und Seriosität auf. Die Zahlen aus dem Jahresbericht der Bundesnetzagentur scheinen eindeutig: Durchschnittlich nur noch 16 SMS wurden 2014 pro SIM-Karte und Monat geschickt. Dagegen lag das genutzte Datenvolumen, das etwa die Messenger nutzen, im gleichen Zeitraum bei 288 Megabyte (MB) im Monatsschnitt. Vor zwei Jahren waren es noch 44 SMS im und erst 114 MB. Das Jahr 2012 markierte mit insgesamt 59,8 Milliarden versendeten SMS ein Allzeithoch. Seitdem geht es bergab: 2014 waren es insgesamt nur noch 22,5 Milliarden verschickte SMS.

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Die nackten Zahlen sprechen also gegen ein langes Weiterleben der SMS. Johannes Weicksel, der beim IT-Verband Bitkom den Bereich Telekommunikationstechnologien leitet, formuliert es so: „Den Mut, der SMS eine Zukunft für Jahrzehnte vorauszusagen, habe ich nicht.“

Die SMS wurde mit dem Mobilfunk-Standards GSM erschaffen und erstmals Ende 1992 verschickt. „Die SMS ist ein Nebenprodukt der GSM-Entwicklung“, erklärt Falko Hansen vom Telekommunikationsportal „Teltarif.de“. Die Provider erahnten den Wert der Technologie nicht, boten SMS kostenlos an. Das änderte sich aber relativ schnell.

Bald kosteten SMS 39 Pfennig, mit der Einführung des Euro etablierten sich 19 Cent als Standardpreis für eine Kurznachricht. „Discounter bieten heute SMS teilweise für 5 bis 6 Cent“, sagt Hansen. Einzeln gezahlt werden SMS aber immer seltener: Denn in den gängigen Allnet- und Kombi-Tarifen sind SMS-Flatrates oder SMS-Pakete enthalten.

Die Anzeichen für einen schleichenden Tod der SMS sind deutlich. Andererseits: Ist eine Übertragungstechnik, mit der jährlich immer noch weit über 20 Milliarden Nachrichten verschickt werden, nicht noch absolut lebendig? Es scheint zumindest so, dass die schlimmste Phase der Rezession hinter der SMS liegt. „In den nächsten fünf Jahren werden die Nutzungszahlen weiter schrumpfen, jedoch nicht mehr so rasant“, glaubt Torsten Gerpott, Professor für Unternehmens- und Technologieplanung an der Universität Duisburg-Essen.

Denn der massive Einbruch seit 2012 sei darauf zurückzuführen, dass vor allem Heavy-User von SMS auf die internetbasierten Messenger umgestiegen sind, erläutert der Telekommunikationsexperte. „Die übrigen Nutzer, die nur gelegentlich SMS schreiben, werden ihre Gewohnheiten nicht so schnell ändern.“

Eine zentrale Eigenschaft haben SMS allen Messenger-Diensten voraus: Versand und Empfang sind nicht von einer mobilen Datenverbindung abhängig. Und: Selbst Nutzer eines Urhalt-Tastenhandys können immer noch Textnachrichten mit Besitzern von Smartphones austauschen. Selbst von Smartphone zu Smartphone bewähren sich SMS. „Wer nicht die gleichen Messenger nutzt, kann sich so dennoch schreiben“, sagt Hansen. Gerade bei Gelegenheitskontakten sei das sinnvoll.

„Die Kompatibilität der SMS ist ihr Riesenvorteil, da man alle mobilen Endgeräte erreicht“, betont auch Weicksel. „Solange GSM-Netze bestehen, wird die SMS als Feature nicht aus der Struktur rausgeschmissen werden.“

Denn auch Unternehmen informieren ihre Kunden per SMS, Online-Dienste nutzen sie für die Zwei-Faktor-Authentifizierung, und beim Online-Banking kommen die TANs vielfach per Kurznachricht. Empirische Untersuchungen hätten außerdem gezeigt, dass Firmen SMS einen offizielleren Eindruck zuschreiben, sagt Prof. Gerpott. „Es ist eine formalere Kommunikationsform als internetbasierte Messenger.“

Eine potenziell vertrauenswürdigere Alternative zu Messengern versuchten die Netzbetreiber mit Joyn als SMS-Nachfolger zu etablieren. Der intern auch Rich Communication Suite (RCS) genannte Dienst bietet Kurznachrichten, die länger als 160 Zeichen sind, aber auch Gruppen- und Videochats sowie das Teilen von Fotos oder Dateien. Durchsetzen konnte sich der Dienst aber bisher nicht.

„Der Zug für Joyn ist abgefahren, weil die Einführung des Dienstes zu spät kam“, analysiert Prof. Gerpott. Erst im Sommer 2012 bot der erste große Netzbetreiber Joyn in Deutschland an. Da waren viele Nutzer längst zu internetbasierten Messengern abgewandert - oder der guten alten SMS einfach weiter treu geblieben.