Der virtuelle Flohmarkt - Tauschen und Teilen im Trend
Backnang (dpa) - Mein Haus, mein Auto, mein Boot - dieses Credo der Konsumgesellschaft zählt für einige Menschen nicht mehr. Das Tauschen und Teilen wird für sie zu einer Alternative zum Kaufen und Wegwerfen.
Alte Waffeleisen, nagelneue Bohrmaschinen oder ein übrig gebliebener Sack Kartoffeln - die Facebook-Plattform von Fabian Löffler bietet fast alles, was es auch in einem Warenhaus zu kaufen gibt. „ Fair-Teiler“ heißt der virtuelle Flohmarkt, den der 31 Jahre alte Mediengestalter aus dem Städtchen Backnang bei Stuttgart vor zwei Jahren ins Leben gerufen hat. Dabei dienen Facebook-Gruppen als Plattformen zum Verkaufen, Tauschen und Verschenken nicht mehr gebrauchter Sachen. Die eigene Wohnung wird zum Warenhaus: „Ich fühle mich als Teil eines Sinneswandels in der Gesellschaft“, sagt Löffler.
Was Löffler in seiner Facebook-Gruppe mit etwa 60 000 Mitgliedern im Kleinen betreibt, ist heute ein Phänomen. Couchsurfing, Carsharing oder Mitfahrzentrale kennt fast jeder. Doch im Internet entstehen immer mehr Portale, auf denen Menschen Sachen tauschen, verleihen oder privat vermieten. Die Studie „Deutschland teilt“ von der Leuphana-Universität Lüneburg und dem Institut TNS Emnid im Auftrag der Mietplattform Airbnb hat ermittelt, dass jeder zweite Deutsche schon Erfahrungen mit alternativen Konsumformen hat.
So wie bei der 2012 gestarteten Internet-Plattform Foodsharing. Dort können überzählige Lebensmittel von Anbietern kostenlos eingestellt und von Interessenten abgeholt werden. Neben Privatleuten können auch Firmen wie Bäckereien oder Supermärkte mitmachen. Hintergrund ist die Idee, bewusster mit Lebensmitteln umzugehen und weniger wegzuwerfen. Ein Bundesbürger wirft im Jahr durchschnittlich 82 Kilogramm Lebensmittel in den Müll.
Diese alternativen Konsumformen seien längst kein Nischenphänomen mehr, sagt Konsumforscher Michael Kuhndt, Direktor des Wuppertaler Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP). Dass sich dieser Trend so schnell verbreite, liege vor allem am Internet. Den Nutzern dieser Portale ginge es nicht mehr allein um Besitz, sondern um das Nutzen von Waren und Dienstleistungen. Das Internet verschafft den Zugang. „Da mischt sich ein Lebensgefühl mit einem Geschäftsmodell.“
Neu sei diese Idee nicht, sagt Holger Rogall, Direktor des Instituts für Nachhaltigkeit an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Schon seit Jahrzehnten teilten sich Landwirte Geräte und Maschinen, um Kosten zu sparen. Dennoch erkennt er einen Wandel in Teilen der Gesellschaft: „Wer früher ein toller Typ sein wollte, musste eine Ente oder einen K besitzen. Heute brauchen viele junge Menschen diese Statussymbole nicht mehr.“
Zwar gewinne das Tauschen und Teilen an Bedeutung, dennoch bleibe das alternative Wirtschaftsmodell auf absehbare Zeit eine Randerscheinung. Und das sei auch gut so, denn auf Dauer könne nach Einschätzung von Rogall davon eine Gefahr für den Sozialstaat ausgehen - weil bei der Mehrzahl der Tauschgeschäfte keine Steuern und Sozialabgaben gezahlt würden.
Die Dimensionen, die das Phänomen annimmt, seien durchaus neu, hält Kuhndt dagegen. Schon in den 1990er Jahren gab es Carsharing-Initiativen. Doch nutzten im Jahr 1997 in Deutschland gerade mal 16 000 Menschen Leihautos, so gibt es laut Bundesverband für Carsharing (bcs) derzeit rund 757 000 Carsharer. Mit einem Zuwachs von rund 67 Prozent hat sich dieser Wert im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesteigert. Eine Herausforderung für etablierte Firmen.
„Die großen Unternehmen können nicht länger die Augen verschließen. Sie müssen neue Geschäftsmodelle erschließen“, meint Kuhndt. Pioniere sieht er etwa in der Autobranche. So tummeln sich auf dem deutschen Markt inzwischen rund 150 Anbieter - hinter den Flotten der drei großen mobilen Anbieter „Car2Go“, „DriveNow“ und „Multicity“ stehen die Automobilunternehmen Daimler, BMW und Citroën. Noch vor wenigen Jahren musste aufwendig telefoniert werden, um ein Auto zu leihen. Heute zeigt ein Blick auf das Smartphone, wo ein Fahrzeug frei ist.
Doch das neue Geschäftsmodell birgt auch Gefahren, meint Professor Florian Faust von der Bucerius Law School in Hamburg. „Tauschportale bringen für beide Parteien ein deutlich höheres Risiko mit sich als ein „normales“ Geschäft.“ Der Vertragspartner sei in der Regel eine Privatperson, das Verbraucherschutzrecht gelte aber nur zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Umtausch und Rückgabe von Dingen, die entweder nicht gefallen oder kaputt sind, seien häufig viel schwieriger.