Die App wird zur Visitenkarte im mobilen Internet

Barcelona (dpa) - Die eigene App fürs Smartphone ist kein Zauberwerk. Jede Webseite kann zur mobilen Anwendung werden. Auf dem Mobile World Congress in Barcelona stoßen Apps allein auf Basis des Web-Standards HTML5 aber noch auf viel Skepsis.

In der „App Lounge“ der Fachmesse Mobile World Congress (25. bis 28. Februar) werden die nächsten Trends der App-Entwicklung diskutiert. Viele beschäftigt die Frage: Eignet sich der offene Web-Standard HTML5 für die Entwicklung von Smartphone-Anwendungen? Der Züricher Computerwissenschaftler Fabio Magagna antwortet: „Das hängt ganz von der Art der Anwendung ab.“ Web-Anwendungen seien günstiger zu entwickeln, aber oft langsamer. Für Spiele und datenintensive Apps müsse man immer noch Anwendungen für die jeweilige Plattform entwickeln. Das sind dann die sogenannten nativen Apps für Android oder das Apple-System iOS. Die Zukunft der App-Entwicklung ist eines der heißen Themen auf der führenden Messe für das mobile Internet in Barcelona.

Magagna ist mit dem App-Entwickler Pavol Bielik nach Barcelona gekommen, der für die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ) an einem App-Wettbewerb der kalifornischen Universität Berkeley teilnimmt. Die Entscheidung fällt zum Abschluss der Messe. So ähnlich wie der 23-jährige Student aus der Slowakei haben viele Startup-Unternehmer angefangen: „Wir sind vier Studenten, und wir wollten für uns selbst eine App entwickeln, wir wollten wissen, wie viel wir uns bewegen“, erzählt Bielik.

Das Ergebnis ist die Android-App move2play: Sie registriert mit Hilfe des Smartphone-Bewegungssensors die Schritte des Nutzers und gleicht das Ergebnis mit einem täglichen Trainingsplan ab. Die App weiß, wo sich der Nutzer gerade befindet und ist gnädig, wenn das Wetter an diesem Ort schlecht ist - dann darf man zuhause bleiben. Noch ist die App nicht öffentlich verfügbar, Bielik würde sie aber gern in den Android-Shop Google Play stellen.

Eine solche native App will sorgfältig programmiert sein. Das kostet viel Zeit. Eigentlich geht das auch einfacher - vor allem wenn eine App ohne Sensoren oder komplexe Datenbanken auskommt. „Das Web ist das Betriebssystem“, sagt die Mitbegründerin der Mozilla-Stiftung für den Firefox-Browser, Mitchell Baker. Mozilla hat ein System für einfache Smartphones entwickelt, das Firefox OS - darauf laufen nur Apps für HTML5.

Unterstützt wird dieser Ansatz von Marc Dillon, Chef des finnischen Jolla-Projekts, das mit Sailfish ein Open-Source-System für mobile Geräte anbietet: „HTML5-Apps sind ein Schlüssel, um Vielfalt herzustellen. Wir müssen den Leuten sagen: „Geht raus aus den umzäunten Gärten, macht was anderes!“ Umzäunte Gärten - so bezeichnen Web-Enthusiasten geschlossene Systeme wie das von Apple.

Mit Hilfe von HTML5 und weiteren Web-Techniken wie Javascript und CSS können Apps gestaltet werden, die auf jedem Smartphone laufen. Das hat den Vorteil, dass der Programmcode nicht für Android, iOS oder weitere Systeme wie Windows Phone neu geschrieben werden muss. Diesen Vorteil in Verbindung mit der größeren Leistungsfähigkeit von nativen Apps versprechen in Barcelona Anbieter spezieller Dienste, die Web-Anwendungen so aufbereiten, dass sie als native Anwendungen auf dem Android-Smartphone oder dem iPhone laufen.

Ein Spiel nur im Browser laufen zu lassen, sei immer mit Leistungsproblemen verbunden, sagt Eneko Knörr, Gründer der Firma Ludei mit Sitz in San Francisco. Ludei bietet eine virtuelle Maschine an, die ein mit HTML5 entwickeltes Spiel zu einer nativen Anwendung macht: „Wir verpacken den HTML-Code und schicken ihn zu den verschiedenen Plattformen.“ Der Dienst ist noch in der Betaphase, also noch in Entwicklung. Aber 300 Entwickler mit rund 1000 Projekten haben sich bei Ludei schon angemeldet. Ein mobiles Spiel einfach irgendwo auf einer Webseite als Web-Anwendung anzubieten, das werde kaum funktionieren, meint Knörr. „Die Realität ist einfach so, dass die Leute in die App Stores gehen und dort nach Spielen suchen.“

Der niederländische Anbieter AppMachine zeigt in Barcelona, wie aus einer Website eine App für Android oder iOS wird. „Nativ bedeutet schnell“, sagt AppMachine-Manager Henk de Hooge. „Und eine Firma oder eine Privatperson will mit der App ja eine möglichst überzeugende Visitenkarte abliefern.“ Die AppMachine greift alle Inhalte einer Webseite ab, sobald die entsprechende Adresse eingegeben wird. Danach kann man aus 24 verschiedenen Bausteinen die Elemente wählen, die in der App enthalten sein sollen, etwa die Integration eines Twitter-Accounts oder eines Facebook-Profils. Auf dem Smartphone lässt sich der jeweilige Entwicklungsstand der App jederzeit überprüfen. Schließlich kümmert sich der Anbieter auch darum, die fertige App in die Online-Shops von Apple und Google zu übertragen. Der auf dem Microsoft.Net-Framework beruhende Dienst ist noch im Teststadium - in etwa sechs Wochen soll es richtig losgehen.

„Jeder, der eine Webseite erstellt hat, kann auch eine App entwickeln“, erklärt der Londoner HTML5-Experte und Mozilla-Entwickler Christian Heilmann. Aber selbst der Gründer des Linux-Projekts Ubuntu, Mark Shuttleworth, sagt, dass HTML5 zwar für viele Kategorien von Apps den richtigen Werkzeugkasten biete. Wenn es aber um eine besonders lebendige App-Erfahrung gehe, dann führe zumindest heute kein Weg an nativen Apps vorbei.

Angesagt ist in der Welt der Apps neben Spielen all das, was einen konkreten praktischen Nutzen verspricht. „Der Trend geht jetzt zur Verwendung von gesammelten Daten aller Art“, sagt der App-Experte Magagna. Entwickler Bielik sieht das auch kritisch: „Viele Unternehmen sammeln Daten, so viel sie bekommen, und entscheiden erst dann, was sie damit tun können. Vielleicht werden wir in ein oder zwei Jahren erkennen, dass wir das zu weit getrieben haben.“