Telefon ist out Die Smartphone-Generation wird maulfaul

Hannover (dpa) - Telefonieren ist out - Texten in. Zumindest bei der Gruppe der unter 17-Jährigen, weiß Digital-Experte Gerald Lembke. „Alle Studien zeigen, dass das Telefon kaum noch genutzt wird“, sagt der in Mannheim lehrende Professor für Digitale Medien.

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„Über alle Altersgruppen hinweg wird im Schnitt gerade mal acht Minuten täglich telefoniert - bei der Gruppe der bis zu 17 Jahre alten Nutzer ist die Zeit aber kaum noch erfassbar.“ Viele von ihnen kommunizieren heute nur noch per Text- oder Sprachnachricht.

Der 15-jährige Hamburger Autor Robert Campe sieht darin keinen Widerspruch. „Klar, das Telefonieren nimmt ab“, sagt er. „Ich telefoniere auch nur noch, wenn ich mal sehr schnell Informationen brauche.“ Doch das Versenden von Sprach- oder Textnachrichten sieht er als eine andere Form des traditionellen Telefonats. In seinem gerade erschienenen Buch „What's App, Mama?“ beschreibt der Schüler das Lebensgefühl der Smartphone-Teenager. Gefühle werden kaum noch per Stimme, sondern non-verbal ausgedrückt. „Dafür gibt es ja Emojis“, sagt er mit Hinweis auf die kleinen Symbolbilder, die Freude, Wut, Verärgerung oder Überraschung ausdrücken sollen. Und für die Mimik gibt es Selfie-Videos, die der Absender von sich macht.

Aktuell nutzen laut Branchenverband Bitkom 54 Millionen Deutsche ab 14 Jahren ein internetfähiges Mobiltelefon. Damit hat sich der Nutzeranteil seit 2012 mehr als verdoppelt. Innerhalb eines Jahrzehnts sei das internetfähige Mobiltelefon vom Nischenprodukt zum unverzichtbaren Begleiter im Alltag fast aller Menschen geworden.

Digital-Experte Lembke sieht die Entwicklung durchaus kritisch: „Das Digitale verdrängt das Soziale — und schwächt die Persönlichkeit der Jugendlichen“, sagt Lembke. Auf der sozialen Ebene sieht er kaum noch Austausch, sondern eine Art Einbahnstraßen-Kommunikation. „Ich-Botschaften“ stünden anstelle von Inhalt und Dialog im Vordergrund. „Es findet kein Austausch der Argumente mehr statt und öffnet zudem Tür und Tor für Missverständnisse und Missbrauch aller Art.“

Christoph Erdmann sieht das ähnlich. Er ist der Mann, der das Kanzlerinnen-Handy abhörsicher macht. Der 43-Jährige ist Geschäftsführer einer Firma, die sich mit viel Aufwand auf verschlüsselte Telefonate spezialisiert hat. Doch ausgerechnet im eigenen familiären Umfeld hisst der Experte für Datensicherheit mitunter die weiße Flagge. Denn seine Tochter gibt wie viele andere ihrer Generation auch per Smartphone bereitwillig Teile des Privaten preis. „Diese Generation reflektiert die Schutzbedürftigkeit der Privatsphäre nicht mehr, weil sie mit der Droge der permanten Vernetzung überrannt wird“, sagt der Verschlüsselungs-Experte.

So wie er äußerten sich vergangenen Monat auch andere Fachleute auf der IT-Messe CeBIT skeptisch zur „Unbedarftheit“ von Jugendlichen. Deren Kommunikationsgewohnheiten würden „Gucklöcher in ihre persönliche Welt reißen“, sagt Erdmann. So machten sie sich angreifbar für alle Arten von Mobbing.

Selbst Jung-Autor Campe rät mit Blick auf allzu freizügige Preisgabe von Daten oder Bildern: „Man sollte sich grundsätzlich schon überlegen, ob man das in ein, zwei Jahren auch noch cool findet.“ Wie also sollten Eltern mit derlei Risiken umgehen? Experten wie Lembke empfehlen Kommunikation mit dem Nachwuchs, ganz ohne Smartphone. Denn der ist oft auf der Suche nach Aufmerksamkeit, die er in Chat-Gruppen kaum geboten bekommt - eine Chance für Eltern, das Bewusstsein der Jugendlichen für die Problematik zu schärfen.

Campe, dem die Idee zum Buch wegen der von ihm als irritierend-naiv empfundenen Erwachsenen-Fragen bei einem Medien-Praktikum kam, sieht es ähnlich. „Es wäre hilfreich, wenn die Eltern ungefähr wüßten, was ihre Kinder da machen, denn aus der Ungewissheit entsteht oft Angst bei den Eltern.“ Er hält aber auch „ein ernstes Wörtchen“ der Eltern zu den Risiken der schönen neuen Digitalwelt nicht für verkehrt.

Digital-Experte Lembke hat sogar schon Ansätze einer Gegenbewegung ausgemacht. „Die Jugendlichen fühlen sich spätestens nach der 3000. WhatsApp-Nachricht irgendwann auch mal gesättigt“, meint er. „Viele schalten daher ganz bewusst auch einfach mal ihr Smartphone ab.“