Feature: Afrika drängt mit Macht ins mobile Internet
Barcelona (dpa) - Mobile World Congress heißt die führende Fachmesse der Mobilfunkbranche. Aber in Barcelona ist fast nur die nördliche Hälfte der Welt vertreten. Europa, die USA und China stellen den Großteil der 1500 Aussteller und 70 000 Fachbesucher.
Aber 90 Prozent der zwei Milliarden Menschen, die in den nächsten vier Jahren neu ins mobile Internet einsteigen, kommen aus den Entwicklungsländern im Süden - erklärt Guy Zibi von der US-Unternehmensberatung Pyramid Research am Dienstag zum Auftakt eines Podiumsgesprächs. Nokia-Chef Stephen Elop ist sicher: „Die nächste Milliarde ans Netz zu bringen, ist ein gewaltiges Vorhaben, aber das wird viel schneller geschehen als bei der ersten Milliarde.“
Dabei geht es um viel mehr als nur um Geschäfte. „Eine Verdoppelung der Internet-Zugänge in ärmeren Ländern könnte nahezu 600 Millionen Menschen über die Armutsschwelle hieven“, sagt Nasser Marafih, Vorstandschef der Qtel-Gruppe, die vom Golfemirat Katar aus Telekomgesellschaften im Nahen und Mittleren Osten sowie in Indonesien und Nordafrika betreibt. Auf dem Mobile World Congress gibt er bekannt, dass sich die Gesellschaft in Ooredoo umbenannt hat: „Das ist ein arabisches Wort und bedeutet: Ich will.“
Auf einer Podiumsdiskussion der Messe sind sich alle Teilnehmer einig: „Südostasien und Afrika hungern am meisten danach, ins Internet zu gehen“, wie es der Vorstandschef des größten indischen Mobilfunkanbieters Bharti Airtel, Manoj Kohli, formuliert. Aber zwei Hindernisse verhindern bislang, dass dieser Hunger schnell gesättigt werden kann: die hohen Preise für Handys und Internet-Zugang sowie mangelnde Bildung und Analphabetismus.
„Wir müssen einen Weg finden, wie wir diese Kundenprobleme lösen können“, fordert Telekom-Manager Marafih. Die Preise seien für die meisten Menschen im Mittleren Osten und Nordafrika eine unüberwindliche Hürde. Und 23 Prozent der Bevölkerung in dieser Region könnten nicht lesen und schreiben. Die Netzbetreiber könnten das nicht allein lösen. Hier seien auch Regierungen und Regulierungsbehörden gefordert, mit kreativen Lösungen die Vernetzung voranzutreiben.
In Nigeria kümmert sich Segun Ogunsanya um diese Aufgabe. Der Airtel-Chef im bevölkerungsreichsten Land des Kontinents ist aus Lagos nach Barcelona geflogen, „um herauszufinden, wie wir das mobile Internet mit Breitbandzugang billiger machen können“.
Er will vor allem die Bauern auf den Dörfern ans Netz bringen - damit sie ihre Preise mit denen im übrigen Land und auf dem Weltmarkt vergleichen oder günstiger Düngemittel bestellen können. Dabei arbeitet Ogunsanya mit der Regierung zusammen, die vor zwei Monaten ein Programm gestartet hat, um Bauern mit Mobiltelefonen auszustatten. „Es geht darum, das mobile Internet in Afrika zu demokratisieren“, sagt der Manager im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Einfache, aber leistungsfähige Handys in die Entwicklungsländer zu bringen, gehört zur Kernstrategie des finnischen Herstellers Nokia. Dabei könnten die Rezepte der Industrieländer nicht ohne weiteres übertragen werden - „wir brauchen eine neue Roadmap“, meint Konzernchef Elop. Nokia hat dafür die Modellreihe Asha entwickelt und unterstützt die Entwicklung von Apps dafür, die auch mit geringer Bandbreite zurechtkommen. „Viele denken ja, das Internet ist Facebook“, sagt Elop. „Wir müssen den Menschen dabei helfen, Informationen zu entdecken, die für sie persönlich wichtig und an ihrem Lebensort sinnvoll sind.“
Während Nokia seine Handys mit dem Microsoft-System Windows Phone ausstattet, will das nichtkommerzielle Mozilla-Projekt das Web zum Betriebssystem machen: Das auf dem Mobile World Congress vorgestellte Firefox OS soll Smartphones in Entwicklungs- und Schwellenländern erschwinglich machen. Die ersten Billig-Handys mit dem neuen System werden jetzt in Brasilien eingeführt. Mozilla-Chef Gary Kovacs schätzt, dass sich die Zahl der Menschen mit Internet-Anschluss in den nächsten fünf Jahren verdoppeln wird - von jetzt etwa 2,5 Milliarden auf 5 Milliarden. Der Mozilla-Stratege stellt dabei die Dominanz der großen Internet-Konzerne in Frage: „Die neue Generation von Internet-Nutzern hat ganz andere Erwartungen. Das kann nicht nur von ein oder zwei Unternehmen kommen, die im Silicon Valley sitzen.“