Ton zwischen Telekom-Branche und Online-Firmen wird rauer
Barcelona (dpa) - Hinter den Kulissen der Smartphone-Revolution brechen neue Gräben zwischen Mobilfunk-Betreibern und boomenden Online-Firmen auf. Mit dem explosiven Wachstum des Datenverkehrs nehmen die Spannungen zu.
Telekom-Chef René Obermann warf der Internet-Branche am Dienstag eine Trittbrettfahrer-Mentalität vor. Ihre Devise sei: „Ihr investiert, wir schöpfen die Gewinne ab“, kritisierte Obermann beim Mobile World Congress in Barcelona. Diese Situation sei auf Dauer nicht tragbar.
Die Telekommunikations-Branche verlangt schon lange, dass sich Internet-Riesen wie Google und Apple oder zum Beispiel auch Messaging-Anbieter an den Kosten des Datenverkehrs beteiligen. Bisher blitzten sie jedoch mit ihren Forderungen ab.
Der Gründer des Onlinetelefonie-Anbieters Viber, Talmon Marco, argumentierte, sein Dienst locke die Kunden mehr mit Innovationen als mit dem Gratis-Angebot an. Als Beispiel nannte er Monaco: In den reichen Land mit einem Pro-Kopf-Einkommen von fast 179 000 Dollar nutzten knapp 90 Prozent der Bevölkerung den Viber-Dienst. „Finanziell haben sie das definitiv nicht nötig.“ Viber hat nach Marcos Angaben inzwischen 175 Millionen Nutzer weltweit.
Er sei bereit, Einnahmen aus kostenpflichtigen Viber-Angeboten mit den Telekom-Firmen zu teilen, betonte Marco. Viber werde aber nicht allgemein für die Nutzung der Netze zahlen. Die Mobilfunk-Anbieter entwickelten sich immer mehr zu Anbietern eines Internet-Zugangs und hätten damit weniger Macht als früher.
Obermann forderte noch radikaler als viele seiner Chefkollegen, die Branche solle überhaupt nicht mehr von Regulierungsbehörden beaufsichtigt werden. Regulierer-Maßnahmen wie die Obergrenze für Entgelte nähmen für Investitionen benötigtes Geld aus dem Markt. Dabei müsse die Branche in den kommenden Jahren 200 bis 300 Milliarden Euro in den Ausbau der Netze stecken. Aber die Telekom-Konzerne würden „mit Handschellen in den Boxring geschickt“. Dabei sei der Wettbewerb heftig genug, dass die Industrie nicht mehr reguliert werden müsse.
Für die Europäische Union setzte die für Digital-Entwicklung zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes in Barcelona ein Zeichen, dass die Kommission die Bedeutung der Branche im Blick hat. Sie kündigte eine Forschungsförderung von 50 Millionen Euro für die Entwicklung des nächsten Mobilfunkformats an. Sie wolle, dass die europäische Industrie dabei eine Pionier-Rolle übernehme. Kroes versprach zudem ein „kreatives Vorgehen“, um die Herausforderungen der Mobilfunk-Industrie anzupacken. Sie wolle alles erdenkliche tun, um Investitionen zu erleichtern.
Der europäische Telekom-Branchenverband ETNO begrüßte die Ankündigungen. Zugleich bekräftigte sein Vorsitzender Luigi Gambardella die Forderung nach mehr Spielraum für eine Konsolidierung in einzelnen Ländern als bisher als Voraussetzung, um mehr investieren zu können.
Obermann sagte, die Telekom-Anbieter müssten in Zukunft „smarter“ werden und sich stärker für Partnerschaften mit Anbietern neuer Dienste öffnen. Die Netzbetreiber hätten diesen Unternehmen einiges zu bieten, wie zum Beispiel Schnittstellen oder garantierte Sicherheit. Als Beispiel für eine Kooperation nannte Obermann die Bündelung eines Tarifs mit dem Musikdienst Spotify. Zudem müsse man Verbrauchern einen einheitlichen Tarif für alle zugänglichen Kommunikationswege bieten statt getrennter Preismodelle.
Während über Datenverkehr und Regulierung gestritten wird, geht die Hardware-Branche in Barcelona weiter ihrem Geschäft nach. So weitet der Chipspezialist NXP mit einer Reihe neuer Produkte die Einsatzmöglichkeiten für die Nahfeld-Funktechnologie NFC aus. NFC-Chips können ohne Berührung Daten mit entsprechenden Kontaktstellen austauschen. In Barcelona zeigt NXP, wie man über einen im Smartphones eingebauten Funkchip kontaktlos einkaufen, Tickets verwalten oder Musik über die Stereoanlage abspielen kann.
NXP beliefere heute acht von zehn Smartphone-Hersteller mit seinen Funkchips, sagte Rüdiger Stroh, Chef von NXP Semiconductors, der dpa. Apple nutzt NFC in seinen iPhones nicht, Blackberry setzt auf die NFC-Chips eines anderen Anbieters. 2012 seien 150 Millionen Telefone mit NFC in Umlauf gewesen, dieses Jahr werde die Zahl auf mehr als 280 Millionen weltweit wachsen.