Fotokünstler: „Webcam-Bilder haben eigene Ästhetik“
Dortmund (dpa) - Verpixelt, verschwommen, verfärbt - Bilder von Webcams genügen bei weitem nicht den Qualitätsanforderungen von Profi-Fotografen. Aber trotzdem haben sie Fans - und mindestens einer ist sogar Profi-Fotograf.
Der Dortmunder Künstler Jens Sundheim hat sich auf der ganzen Welt von rund 400 Webcams ablichten lassen und stellt die so entstandenen Bilder aus. „Die Ästhetik ist spannend“, sagt der 40-Jährige im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Seit rund zehn Jahren reisen Sie zu Webcams - was war die erste?
Sundheim: „Die erste war in Las Vegas vor dem MGM Grand Hotel. Da stehe ich auf einer Rolltreppe. Heute gibt es ja viel mehr Kameras. Wenn man jetzt nach Webcams in Las Vegas sucht, findet man Dutzende Verkehrskameras, aber damals war es eben die eine. Mein Kollege Bernhard Reuß hatte die gefunden. Er kümmert sich heute noch darum, die Bilder der Webcams herunterzuladen oder abzufotografieren, während ich davor stehe.“
Wie wählen Sie die Webcams aus und welche warten noch auf Ihren Besuch?
Sundheim: „Zum einen gibt es da eine praktische Seite: Wenn ich weiß, dass ich in Paris ausstelle, dann mache ich vor Ort Bilder. Im Moment gibt es in Europa und in den USA relativ viele Bilder. Ziel ist natürlich, am Ende auf alle Kontinente zu kommen, um dem globalen Charakter dieser Bilderstellung und -verbreitung nahe zu kommen. In der Antarktis gibt es beispielsweise mehr Kameras, als man meinen sollte. Viele Forschungsstationen haben Webcams, da würde ich sehr gerne hin. Das was gezeigt wird, ist ja völlig unterschiedlich. Zum Teil sind das ganz klassische Sehenswürdigkeiten - wie der Times Square in New York oder der Eiffelturm. Aber ich mag auch sehr gerne, wenn jemand den Blick aus seinem Fenster oder die Hecke gegenüber zeigt - davon gibt es auch reichlich. Ich finde diese Bilder eigentlich viel interessanter als die klassischen Sehenswürdigkeiten.“
Was fasziniert Sie an Webcams?
Sundheim: „Mich fasziniert, wer solche Kameras aufstellt und warum. Außerdem faszinieren mich als Fotograf natürlich auch die Bilder - wer schaut sie an und warum? Und sind die jetzt sehenswert, nur weil sie im Internet sind? Das sind die Fragen, die mein Projekt stellt. Die Qualität der Bilder ist bescheiden, aber ich mag, dass sie niedrig aufgelöst und am besten noch falschfarbig sind. Diese Ästhetik ist spannend. Alle Digitalkameras streben nach immer mehr Megapixeln, aber die Webcams funktionieren immer noch mit ihren kleinen Bildgrößen und das hat auch seinen Reiz und etwa Schönes und Malerisches.“