Webcam-Erfinder: Habe einen Nachmittag gebraucht
Cambridge (dpa) - Eigentlich wollte der Computerwissenschaftler Quentin Stafford-Fraser vor 20 Jahren nur seinen Kollegen helfen, die auf der Suche nach einer Tasse Kaffee häufig vor einer leeren Kanne standen.
Also richtete er eine Kamera auf die Maschine, übertrug das Bild auf die Rechner im Computerlabor der Universität Cambridge - und erfand so nebenbei die Webcam. Dass seine Erfindung die Online- Kommunikation vollkommen verändern würde, sei ihm erst viel später klar geworden, sagt der heute 44-jährige Unternehmer im Gespräch mit dpa: „Damals hatten wir einfach Spaß.“
Wie kam es damals vor 20 Jahren zur Erfindung der Webcam?
Stafford-Fraser: „Ich war wissenschaftlicher Assistent in einer Forschergruppe am Computer-Labor in Cambridge, wo sich die Mitarbeiter eine Kaffeemaschine geteilt haben. Bei der Maschine handelte es sich um eine ganz normale Filterkaffeemaschine, die - wie ich mich erinnere - sehr schlechten Kaffee gemacht hat. Aber es war alles, was wir hatten. Die meisten von uns haben gemeinsam in einem Raum in der Nähe der Kaffeemaschine gearbeitet. Aber manche von uns haben in anderen Räumen oder auf anderen Etagen gearbeitet und mussten dann immer zur Kaffeekanne laufen - und manchmal war dann nichts mehr in der Kanne oder nur noch ein alter, schaler Rest. Also dachten wir, wir müssten das Koffein ein bisschen effektiver verteilen.“
Wie haben Sie das technisch gelöst mit der Kaffeekannen-Kamera?
Stafford-Fraser: „Die Forschergruppe hat an Multimedia in Computernetzwerken gearbeitet, was damals noch sehr neu war. Wir hatten also zum Beispiel Videokameras, die man an Computer anschließen konnte. Ein Freund und ich haben dann eine dieser Kameras genommen und auf die Kaffeemaschine gerichtet, die Kamera an einen Computer geschlossen und eine Software geschrieben, die es ermöglicht hat, ein Bild der Kaffeemaschine auf seinem Computerdesktop zu sehen. Das alles war, als es das Web eigentlich noch gar nicht richtig gab. Man hatte dann ein kleines Bild von der Kaffeemaschine und konnte sehen, was sich so tat. Endlich mussten viele Kollegen nicht mehr drei Stockwerke runterrennen, um dann eine leere Kaffeekanne vorzufinden.“
Und wie ging es dann weiter?
Stafford-Fraser: „Als Internetbrowser dann endlich Bilder anzeigen konnten, haben wir nach Bildern gesucht, die sich immer wieder verändern, und so sind wir wieder auf die Kaffeemaschinen-Kamera gekommen. Einige Freunde von mir haben die Software dementsprechend verändert, dass die Bilder der Kamera in einem Internetbrowser angezeigt werden konnten und man nicht mehr meine Software benutzen musste, sondern einfach auf eine bestimmte Webseite gehen konnte. Der Nebeneffekt war, dass jeder auf der ganzen Welt - wenn er die Adresse wusste - auch sehen konnte, wie viel Kaffee noch in der Kanne war. Damals gab es im Internet noch nicht wirklich viel und wie diese verrückten Leute in Cambridge da eine sehr teure Kamera auf eine sehr billige Kaffeemaschine gerichtet haben, hat die Menschen irgendwie angezogen und dann wurde das Ganze ziemlich berühmt.“
Aber am Anfang war alles nur Spielerei?
Stafford-Fraser: „Ja. Ich mache oft Witze darüber, dass ich in dieser Forschergruppe mehr als ein Jahr lang gearbeitet habe und mich eigentlich an keinen anderen Teil meiner Arbeit mehr erinnern kann als an die Kaffeemaschinen-Kamera - dabei habe ich nur einen Nachmittag daran gearbeitet. Aber viele gute Dinge entstehen ja so, dass Menschen einfach aus Spaß herumexperimentieren.“
Haben Sie damals verstanden, was Sie da genau erfunden hatten, und welche Auswirkungen diese neue Technik haben würde?
Stafford-Fraser: „Nein, sicher nicht. Wir hatten einfach Spaß, und für uns war es nützlich. Meine Kollegen haben sich die Bilder wirklich angeschaut - regelmäßig Kaffee zu bekommen ist schließlich ein wichtiger Teil der Informatik. Es gab natürlich auch andere, die das mit den Kameras gemacht haben - aber wir hatten das Glück, dass wir ein ganz klein bisschen früher dran waren.“
Die Kaffeemaschinen-Kamera haben Sie 2001 abgeschaltet, aber die Maschine gibt es noch. Sie wurde von der Redaktion des Nachrichten-Portals „Spiegel Online“ gekauft ...
Stafford-Fraser: „... zumindest eine davon, es gab mehrere. Aber diese hat am längsten gehalten. Diese Kaffeemaschinen wurden nicht so gut behandelt - es war ja nur normale Haushaltsmaschinen, die von etwa 15 Wissenschaftlern benutzt wurden. Aber damals kamen wirklich Menschen zum Computerlabor, die von der Touristen-Information dorthin geschickt worden waren - es waren Amerikaner, die von der Kaffeemaschinen-Kamera gehört und nachgefragt hatten.“