Gegen Bandsalat - Pflegetipps für VHS- und Audiokassetten
Berlin (dpa) - Ob „Die drei ???“, ein Abenteuer der Jugend-Detektive von „TKKG“ oder ein Mixtape mit Lieblingsliedern - irgendwo auf dem Dachboden oder in einem Karton im Keller hat fast jeder noch Exemplare der guten alten Musikkassette liegen.
Und die wollen gepflegt werden.
Ab und an juckt es einen in den Fingern, die Schätzchen mal wieder zum Leben zu erwecken, um in Erinnerungen zu schwelgen. Doch wer diese Nostalgie will, muss auch etwas für seine Tapes tun.
„Generell sollte man Kassetten nicht an Orten mit extremen Temperaturen oder Temperaturschwankungen lagern, genauso wenig wie an Orten mit extremer Luftfeuchtigkeit“, rät Corinna Richter aus Schwaförden bei Bremen, die sich auf die Reparatur von Audio- und Videokassetten spezialisiert hat. Das Handschuhfach im Auto, das sich in der prallen Sonne extrem erhitzen kann, ist deshalb als Archiv ungeeignet.
Und damit die Gase des aus dem Bandmaterial austretenden Weichmachers nicht zu einem Verkleben benachbarter Wicklungen führen, ist es ratsam, das Band gelegentlich zu bewegen - heißt: Kassetten wollen gehört werden. „Das Problem des entweichenden Weichmachers aus dem Kunststoffmaterial ist der häufigste Grund für Kassettendefekte“, weiß Richter. Und leider gebe es kein Bandmaterial ohne Weichmacher.
Dem Kassetten-Hersteller Maxell zufolge variiert die Haltbarkeit der Bänder stark. „Zunächst einmal hängt das mit der Lagerung der Kassette zusammen“, betont Wolf Schneider, der die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens betreut. „Aber auch die Sorgfalt des Anwenders spielt eine Rolle.“
Nach 30 bis 40 Jahren sieht Corinna Richter das Ende des Bandmaterials gekommen, egal wie sorgfältig man seine Tapes gepflegt und gelagert hat. Dann beginnen die Schwierigkeiten, deren Ursachen auf veränderte Bandeigenschaften aufgrund von entwichenem Weichmacher zurückzuführen sind.
Ist ein Audioband nicht gerissen, sondern nur zerknittert, wirkt sich das bei der Wiedergabe nicht so fatal wie bei Videokassetten aus, weil es sich bei Tonbändern um sogenannte Längsspuraufnahmen handelt, erklärt Corinna Richter. Trotzdem sei an den betroffenen Stellen der Ton nicht mehr sauber, oft fehlten die hohen Frequenzen.
Normale Abspielgeräte für den Hausgebrauch sind mit der Wiedergabe geknitterter Bänder aufgrund ihres vergleichsweise einfachen Aufbaus häufig überfordert. Die Bänder werden gefressen. „Dabei wird aus der linken Spule fortwährend Band herausgezogen, rechts aber nicht mehr aufgewickelt“, erklärt Richter das Problem. „Das Band wird so lange in Hohlräume zwischen Tonköpfen, Andruckrolle und Kassette gepresst, bis die Wiedergabe mit meterlangem Bandsalat stoppt.“ Dank spezieller Reparaturgeräte mit individuell einstellbaren Andruckrollen- und Wickelfriktionskräften könnten Fachbetriebe aber beinahe jedes Problemband noch abspielen und dabei gleich eine Digitalkopie ziehen.
Gerissenen Bändern sollte man nur mit besonders dünnem Klebefilm zu Leibe rücken. Von herkömmlichem Klebeband rät die Expertin ab, weil dieses zu dick ist und die Gefahr besteht, dass bei Druck der Kleber an den Seiten herausgepresst wird. Außerdem ist die Klebekraft mitunter zu gering. Insbesondere beim schnellen Spulen könne die Klebestelle dann wieder reißen. „Zusätzlich sollte bei der Reparatur eine sogenannte Klebeschiene verwendet werden, damit das Band auch wirklich gerade zusammengeklebt wird“, rät Richter. „Ein schief geklebtes Band wird von der Andruckrolle schief eingezogen und an der Stelle geknittert.“
Der Inhalt noch intakter Bänder lässt sich daheim ohne großen Aufwand ins digitale Zeitalter übertragen. Dazu wird ein Walkman oder ein Tapedeck über einen Klinkenstecker mit der Line-in-Buchse an PC oder Notebook verbunden. Andre Esin vom „Chip“-Magazin empfiehlt dann für die Digitalisierung die freie Software Audacity. „Unter „Wiedergabe und Aufnahme“ wählen Sie die aktuelle Soundkarte auf Ihrem Computer aus“, erläutert Esin die Vorgehensweise. „Bei „Kanäle“ stellen Sie ein, ob Sie Mono oder Stereo aufnehmen möchten.“ Gerade bei Musikaufnahmen ist natürlich Stereo sinnvoll. Damit die Aufnahme nicht etwa übersteuert und verzerrt wird, sollte das Signal in den Windows-Audioeinstellungen manuell eingepegelt werden. Die fertige Audiodatei kann am Ende kann einfach auf dem Rechner gespeichert, aber natürlich auch auf eine Disc gebrannt werden. Zumindest das Thema Bandsalat hat sich damit dann für alle Zeiten erledigt.