Glücksspielrecht in Deutschland muss erneut auf den Prüfstand
Schleswig-Holstein kehrt zum gemeinsamen Glücksspielrecht zurück - doch es könnte sein, dass die Extratour der alten Landesregierung noch Spätfolgen hat.
Karlsruhe. Das deutsche Glücksspielrecht muss erneut auf den Prüfstand des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dabei wird es vor allem darum gehen, ob der zeitweilige Sonderweg Schleswig-Holsteins dazu führt, dass die geltenden Beschränkungen für Glücksspiele im Internet insgesamt nicht mehr anwendbar sind. Hierzu legte der Bundesgerichtshof am Donnerstag den Luxemburger Richtern mehrere Fragen vor.
Unterdessen beschloss der Landtag in Kiel den Beitritt Schleswig-Holsteins zum Glücksspielstaatsvertrag der übrigen Bundesländer. Die rechtlichen Folgen sind damit aber nicht ausgestanden (Az. I ZR 171/10).
Nach der Rechtsprechung des EuGH müssen Verbote im Glücksspielrecht insgesamt widerspruchsfrei sein und den Interessen der Allgemeinheit dienen - etwa der Bekämpfung von Spielsucht. Sonst sind sie als Beschränkung der europäischen Dienstleistungsfreiheit unzulässig. Deshalb - so der BGH in seiner Entscheidung vom Donnerstag - könnte die Liberalisierung des Glücksspielrechts in Schleswig-Holstein „die Eignung der entsprechenden Verbote in den anderen Bundesländern zur Erreichung der (...) legitimen Allgemeininteressen erheblich beeinträchtigen“.
Die frühere CDU/FDP-Regierung in Kiel hatte den Sonderweg eingeschlagen und ein eigenes Glücksspielgesetz geschaffen, das Anfang 2012 in Kraft trat. Ziel war ein liberaler, aber regulierter Glücksspielmarkt. So wurden Online-Casinospiele wie Poker zugelassen und die Zahl der Lizenzen nicht limitiert. Die EU-Kommission hatte dieser liberalen Regelung - im Gegensatz zum Glücksspielstaatsvertrag - europarechtliche Unbedenklichkeit bescheinigt.
Mit der am Donnerstag beschlossenen Rückkehr Schleswig-Holstein zum einheitlichen Glücksspielstaatsvertrag ist das rechtliche Problem möglicherweise nicht gelöst: Denn in der Zwischenzeit hat die Landesregierung bereits weit mehr als 40 Lizenzen an Anbieter von Sportwetten und Online-Casinospielen vergeben, darunter auch für Online-Poker. Diese Lizenzen gelten noch mehrere Jahre fort, und das könnte die vom EuGH geforderte Kohärenz der Glücksspielregelungen zunichte machen.
Zwar schreibt der BGH, das es nach seiner Ansicht nicht zur Unanwendbarkeit der bundesweiten Regelung führen sollte, wenn eine - ansonsten zulässige - Glücksspielregelung in einem Bundesland erst nach einer mehrjährigen Übergangszeit in Kraft gesetzt wird. Das letzte Wort in dieser Frage haben aber nicht die Karlsruher Richter, sondern jene in Luxemburg.