Internetbranche wehrt sich gegen bezahlte Überholspur im Netz
Washington (dpa) - Die amerikanischen Telekom-Regulierer sind mit ihren Plänen für mögliche bezahlte Überholspuren im Internet auf heftige Kritik gestoßen.
Der am Donnerstag verabschiedete Vorschlag könne „den Anfang vom Ende für das Internet, wie wir es kennen, einleiten“, erklärte der einflussreiche Senator Al Franken. Die Online-Videothek Netflix warnte, die Pläne der Telekom-Aufsicht FCC (Federal Communications Commission) könnten die Diskriminierung von Unternehmen beim Zugang zum Internet legalisieren.
Jetzt steht eine rund viermonatige Diskussion um das Konzept der FCC an. Kommentare können zunächst bis Mitte Juli eingereicht werden; bis Mitte September ist Zeit für Antworten. Erst danach steht eine endgültige Entscheidung an.
„Den Anbietern von Breitband-Anschlüssen darf nicht die Möglichkeit gegeben werden, langsame und schnelle Fahrspuren im Internet zu errichten“, erklärte Michael Beckerman, der Vorsitzende der Internet Association, einer Vereinigung namhafter Internetfirmen von Amazon und Facebook bis zu Google und Twitter. Beckerman befürchtet, dass dadurch bestimmte Websites und am Ende auch die Nutzer benachteiligt würden.
Bei einer bezahlten Überholspur ginge es im Kern darum, sich zum Beispiel für Video-Übermittlungen oder medizinische Dienste garantierte Leitungskapazitäten und Qualitätsstufen bei der Übertragung gegen zusätzliches Entgelt sichern zu können. Kritiker befürchten, dass dadurch ein Internet entstehen könnte, in dem sich reiche große Konzerne eine bevorzugte Behandlung erkaufen können, während sich kleine Start-ups mit schlechterem Service begnügen müssen. Angesichts der überwältigenden Rolle von US-Anbietern in der Internet-Wirtschaft rechnen Experten auch mit weltweiten Auswirkungen der US-Entscheidungen auf die Netzneutralität.
FCC-Chef Tom Wheeler betonte, dass in der verabschiedeten abgemilderten Version der Vorschläge die Möglichkeit bezahlter Überholspuren in Internet-Leitungen nicht mehr ausdrücklich erwähnt werde. Allerdings werden sie dort auch nicht verboten. Kritiker sehen dadurch das Prinzip der Netzneutralität in Gefahr, das besagt, dass alle Daten im Netz gleich behandelt werden müssen.
Die FCC war gezwungen, ihre bisherige striktere Regelung zur Netzneutralität zu überdenken, nachdem ein US-Berufungsgericht sie nach entsprechenden Forderungen des Telekom-Konzerns Verizon gekippt hatte. Wheeler betonte nun, er sei ein Befürworter des offenen Internets und der Netzneutralität. Es gebe nur ein Internet für alle, erklärte er am Donnerstag. Ihm persönlich sei die Idee eines Zwei-Klassen-Netzes zuwider, und er werde dagegen kämpfen: „Ich werde nicht zulassen, dass der nationale Vermögenswert eines offenen Internets kompromittiert wird.“
Die FCC verspricht, eine Diskriminierung einzelner Unternehmen zu verhindern. Zugleich wird die Idee diskutiert, das Breitband-Internet als Versorgungs-Infrastruktur einzustufen. Dies würde eine viel strengere Regulierung der Anbieter bedeuten. Am Donnerstag lehnten mehrere FCC-Kommissare eine solche Lösung jedoch ab. Die Abstimmung der FCC fiel mit drei zu zwei Stimmen knapp aus.
In den vergangenen Tagen hatte sich die Debatte um die Netzneutralität in den USA merklich aufgeheizt. Über 150 Internet-Firmen forderten in einem offenen Brief gleiches Recht für alle Daten.
Unternehmen wie Google, Facebook oder Netflix, deren Dienste große Datenmengen durchs Netz jagen, befürchten, von den Netzbetreibern systematisch zur Kasse gebeten zu werden. Im Gegenzug warnten die großen Telekom-Konzerne vor einer schärferen Regulierung von Breitband-Zugängen, weil dies nötige Investitionen gefährde. Es gibt auch Gegenentwürfe für Regelungen zur Netzneutralität - unter anderem von der Mozilla-Stiftung, die hinter dem populären Web-Browser Firefox steht.