US-Regulierer schürt die Angst vor dem Zwei-Klassen-Internet

Washington (dpa) - „Die FCC hat das Internet umgebracht!“, schlugen hunderte Twitter-Nutzer Alarm, nachdem die US-Telekombehörde ihre umstrittenen Pläne zur Netzregulierung auf den Weg brachte. Kritiker befürchten, der neue Kurs könnte die Tür für bezahlte Überholspuren im Netz öffnen.

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Die Gefahr sei ein Zwei-Klassen-Internet, in dem sich die Großen und Reichen einen bevorzugten Weg zu den Kunden erkaufen können, während Einsteiger auf der Strecke bleiben.

Doch soweit ist es noch nicht. Der amerikanische Telekom-Regulierer FCC (Federal Communications Commission) schickte zunächst nur einen Entwurf in die öffentliche Diskussion bis Mitte September. Dabei steht nicht nur die Möglichkeit bezahlter Überholspuren im Netz zur Debatte, sondern ganz im Gegenteil auch eine verschärfte Regulierung, die eine Diskriminierung bestimmter Dienste verhindert.

Die amerikanischen Regulierer sind in einer schwierigen Position: Die FCC gab sich lange als Hüterin des offenen Internets und der Netzneutralität, die besagt, dass alle Daten im Internet gleich behandelt werden sollen. Doch im Januar torpedierte ein amerikanisches Berufungsgericht ihre bisherige strikte Position.

Die FCC hatte 2010 ihre „Open Internet“-Regeln beschlossen, die den Spielraum der Netzbetreiber bei der Steuerung der Datenströme einschränkten. Auslöser war unter anderem ein Fall aus dem Jahr 2007, als der Kabelanbieter Comcast in seinem Netz den Dienst BitTorrent blockiert hatte, über den (auch raubkopierte) Videos und andere Dateien online verteilt werden.

Der Telekom-Riese Verizon zog gegen die FCC vor Gericht. Das Berufungsgericht stellte in dem Streit fest, dass die US-Behörde nicht befugt gewesen sei, solche Regeln einzuführen. Denn sie hatte das Geschäft mit Breitband-Internet vor rund zehn Jahren weitgehend dereguliert.

Jetzt muss die FCC zwischen zwei Polen navigieren. Die Netzbetreiber, die auf sinkende Umsätze bei Milliarden-Investitionen verweisen, würden gern Geld damit verdienen, dass sie Inhalte-Anbietern eine garantierte Service-Qualität bieten. Ihnen ist schon lange ein Dorn im Auge, dass Nutzer etwa von Googles YouTube-Plattform oder der Online-Videothek Netflix gewaltige Datenmengen durch die Netze pumpen und die Internet-Firmen reicher machen — diese Online-Dollar an ihnen aber spurlos vorbeirauschen.

Auf der anderen Seite rufen vor allem Online-Aktivisten die FCC auf, die Breitband-Dienste als Versorgungs-Infrastruktur zu betrachten. Das würde den Weg für straffe Regulierung öffnen. Die Telekom-Branche warnt, dies werde dringend benötigte Investitionen abwürgen — und sie droht bereits, dagegen vor Gericht zu ziehen.

In dieser Situation versuchte FCC-Chef Tom Wheeler einen Spagat zwischen den Lagern. Es sei inakzeptabel, dass jemand in die Position käme, darüber zu entscheiden, wer im Internet der Gewinner und wer der Verlierer ist. „Es gibt nur ein Internet. Es muss schnell, robust und offen sein.“ Die neuen Regeln würden erstmals der Diskriminierung einzelner Unternehmen einen Riegel vorschieben. Und bezahlte Überholspuren würden in den Vorschlägen nicht einmal erwähnt.

Aber auch nicht verboten, kontert die Internet-Branche. „Wenn die einen sich schnellere Daten-Leitungen erkaufen können, bedeutet das automatisch, dass der Rest langsamer unterwegs ist“, warnt Amazon-Technikchef Werner Vogels. „Wären Unternehmen wie der Musikdienst Spotify so schnell so groß geworden, wenn sie benachteiligt wären, weil sie kein Geld hätten, die Netzbetreiber zu bezahlen?“ Er habe große Zweifel daran. Amazon hat in dem Streit aber auch eigene Interessen: Der Online-Händler könnte unter anderem mit seinem Video-Streamingdienst oder seinem Cloud-Service von den Netzbetreibern zu Kasse gebeten werden.

Der deutsche Branchenexperte Nikolaus Mohr von der Managementberatung Mücke, Sturm & Company sieht das Problem auch auf der Seite der Telekom-Industrie: „Diese Diskussion kommt nur auf, weil die Netzbetreiber im Wettbewerb um Marktanteile in den letzten Jahren mit immer günstigeren Angeboten die Preise gedrückt haben.“ Es müsse auch um marktgerechte Preismodelle für Kunden gehen. „Zugleich kann ich als Staat nicht den milliardenschweren flächendeckenden Ausbau der Infrastruktur verlangen und dann dem Anbieter nicht die Möglichkeiten geben, das Geld zurückzuverdienen.“

Insgesamt sei eine internationale Diskussion zur Netzneutralität nötig, betont Mohr. „Das Internet ist zu wichtig geworden, dass man solche Entscheidungen in einzelnen Ländern treffen könnte.“