Kein Netz bei Nebel und Regen - Warten auf das digitale Zeitalter
Hinterzarten/Schmallenberg (dpa) - Die digitale Agenda der Bundesregierung verspricht schnelles Internet bis 2018. In manchen Dörfern ist das bislang ein Traum. Es sind also Alternativen gefragt.
Wenn der Unternehmer Andreas Fischer eine SMS verschicken will, geht er unter seinen „Telefonbogen“ auf dem Balkon: Nur dort bekommt er den einen Balken, der auf seinem Handy eine minimale Netzverbindung signalisiert. „Hier im Ort ist Mobilfunk eher Luxus“, sagt der Geschäftsführer der G+F Verlags- und Beratungs GmbH. Das Problem: Sein Firmensitz ist Forbach-Hundsbach im Nordschwarzwald. Der 370 Einwohner zählende Weiler liegt mitten im Wald in 760 Metern Höhe.
Das Problem sollte keines sein. Denn zu den Verheißungen der digitalen Gesellschaft gehört doch gerade das Versprechen, an jedem Ort der Welt erreichbar zu sein, von jedem Ort der Welt aus arbeiten zu können.
Davon träumt auch Marc Vollmer im Schwarzwald-Dorf Bruderhalde, einem Ortsteil von Hinterzarten im Hochschwarzwald. Vor seiner Haustür liegt der Titisee. Und der Firmengründer ist überzeugt: „Hier kann ich einfach kreativer arbeiten, das ist wie bei einem Maler.“ Vollmer leitet das Unternehmen yoose3D, dessen vier Mitarbeiter 3D-Animationen fürs Fernsehen und Industrieunternehmen produzieren.
Beide Mittelständler sehnen sich nach einem Internet-Zugang mit 50 Megabit pro Sekunde. Das soll es bis 2018 flächendeckend geben, verspricht die digitale Agenda der Bundesregierung. Viel Hoffnung macht sich Fischer aber nicht: „Wir haben schon viele Agenden erlebt und den wenigsten Worten sind auch Taten gefolgt.“
Unternehmer sind findig. Im Nordschwarzwald nutzt Fischer einen Internetzugang über Satellit. Wenn es gut läuft, ist damit eine Übertragungsrate von 10 MBit/s möglich. Aber vor einer Videokonferenz mit einem seiner zehn Mitarbeiter, der in Helsinki lebt, schaut sich Fischer den Wetterbericht an. „Wenn ein Gewitter im Anzug ist, dann bricht die Verbindung schnell zusammen. Und wenn im Spätherbst der Hochnebel im Tal hängt, sagen wir gleich gute Nacht.“
Auch Burkhard Tigges in Nordrhein-Westfalen muss manchmal ungewöhnliche Wege gehen. „Wenn ich hier mittags mal Online-Banking machen will, geht nichts“, sagt der Geschäftsführer des Maschinenbau-Unternehmens Transfluid aus Schmallenberg. Dann seien Alternativen gefragt. „Wir müssen halt improvisieren.“ Daten-intensive Downloads mache so mancher Mitarbeiter lieber mal zu Hause und manchmal seien auch schon Daten nach Feierabend von privaten Rechnern zu Kunden geschickt worden.
Die Breitband-Versorgung in Nordrhein-Westfalen schwankt oft von Ort zu Ort - auch in der Eifel. In Tondorf läuft es prima, fünf bis sechs Kilometer weiter im Örtchen Hecken ist das Internet dagegen „vom Winde verweht“, wie Karl-Heinz Monowski berichtet. Er betreibt dort ein Internetradio. Nur wenige Wolken genügten, um die zerbrechliche Funkverbindung einfach weg zu fegen. „Ich bin auf meine Sponsoren angewiesen, doch sobald es etwas mehr Regen gibt, fällt die Sendung aus.“ Weil Bitten und Beschwerden nichts genutzt hätten, ziehen Monowski und seine Partnerin Patricia Konsequenzen: „Wir ziehen jetzt um. Nach Wuppertal.“
Marc Vollmer im Hochschwarzwald regelt das anders: Um von Bruderhalde aus 3D-Filme übers Internet verschicken zu können, hat er drei DSL-Leitungen mit jeweils 1 MBit/s gebündelt. Vollmer zahlt dafür rund 150 Euro im Monat, erreicht aber nicht annähernd die Übertragungskapazität wie ein Wettbewerber in der Stadt.
Wie kann das geändert werden? „Glasfaser wäre die Königslösung“, antwortet Fischer. „Das geht aber nur mit massiver Investition der öffentlichen Hand.“ Kommerzielle Anbieter wie die Deutsche Telekom haben wiederholt erklärt, dass sich solche Investitionen für sie nur rechnen, wenn die Nachfrage entsprechend groß ist - auf dem Dorf ist das kaum der Fall. Realistischer scheint eine Abdeckung mit der Mobilfunktechnik LTE zu sein - die bei ihrem Start auch angetreten ist, um zuerst die Lücken im ländlichen Raum zu schließen.
Bislang aber muss am Titisee oft noch die Post als Lückenbüßer herhalten: Wenn Vollmer einem Kunden möglichst schnell einen Film mit einigen hundert Gigabytes schicken soll, packt er die Daten auf eine externe Festplatte und gibt diese mit Express-Sendung auf. Digitale Gesellschaft geht irgendwie anders.