LeWeb: Tech-Visionäre zwischen Big-Data-Träumen und NSA
Paris (dpa) - Die Tech-Branche mag bei der Internet-Konferenz LeWeb in Paris unbelehrbar wirken: Während immer neue Enthüllung über das Ausmaß der NSA-Spionage kommen, werben sie für die datengetriebene Zukunftswelt.
Doch die Branche glaubt, das NSA-Problem in den Griff zu bekommen.
Start-up-Konferenzen sind ein Ort für kühne Visionen und Erfolgsgeschichten. Nicht anders ist es normalerweise auch beim größten europäischen Event dieser Art, LeWeb.
Doch in diesem Jahr liegt ein Schatten über der ganzen Internet-Industrie - die Enthüllungen über die ausufernde Internet-Überwachung durch die NSA. Und so sehr die Moderatoren um Gründer Loic le Meur die Gespräche bei der zehnten LeWeb-Auflage auf Kurs halten wollen, das NSA-Thema drängt sich immer wieder in den Vordergrund.
„Es fängt an mit niedlichen Gadgets - der PC war einmal auch ein nettes Gadget. Und endet damit, dass die ganzen Daten bei der NSA landen“, grummelt auf der Bühne Henry Seydoux, Gründer von Parrot, eines Spezialisten für Tech-Accessoires von der Freisprechanlage bis zur Mini-Drohne.
Der Franzose will seine Tüftler-Leidenschaft jetzt bei Spielzeug ausleben. Zum Beispiel einer Flaschenpost, die man ins Meer wirft und danach ihren Weg auf dem Smartphone verfolgen kann. „Alles wird künftig vernetzt sein“, sagt Seydoux. Aber er wolle kein gigantisches Datensilo dahinter haben, das alle Daten beherbergt.
Doch genau so stellen sich Experten wie der etablierte Marktforscher George Colony die Zukunft vor. Das Smartphone sei im Zusammenspiel mit allgegenwärtigen Sensoren der Schlüssel zu einer personifizierten Welt, erklärt der Gründer der Firma Forrester Research. Beispiel Reisen: „Flugbegleiter wissen, was ich gerne trinke. Im Hotel bringt mich der Fahrstuhl automatisch in die richtige Etage, die Zimmertür geht von alleine auf.“
Der Bezahldienst PayPal zeigt in Paris ein Betriebssystem für diese Vision: Kleine Bluetooth-Funksender, die zum Beispiel Smartphones automatisch erkennen und mit ihnen interagieren können, bis hin zur Abrechnung eines Kaufs. Auch Apple testet in seinen US-Läden bereits ein ähnliches System.
Und der einstige Apple-Manager Tony Fadell, der inzwischen mit seiner eigenen Firma Nest elektronische Thermostate und Rauchmelder verkauft, schwärmt vom dem Segen vernetzter Haustechnik. Und Microsoft-Manager Satya Nadella erzählt von einem System, dass die Bewegungen aller Gäste in einem Stadion im Auge behält.
Es ist auf den ersten Blick genau der falsche Zukunftsentwurf mitten in der scheinbar endlosen Flut von NSA-Enthüllungen. Schließlich sammeln sich mit Big-Data-Systemen auch immer mehr Informationen, die ein Geheimdienst abgreifen könnte. Doch viele in der Branche zeigen sich zuversichtlich, das Problem in Griff zu bekommen.
So sagt der Gründer des Online-Speicherdienstes Evernote, Phil Libin, in Paris, es sei eigentlich eine ganz einfache Sache: „Wir müssen unserer Regierung sagen, was wir wollen - und sie muss das tun.“ Eine Aufgabe für vielleicht sechs Monate, man lebe schließlich in einer Demokratie. Und der Technik-Chef des Online-Händlers und Cloud-Dienstleisters Amazon, Werner Vogels will das Problem vom anderen Ende lösen: Geheimdienste würden immer spionieren, also müsse man den Kunden starke Verschlüsselungs-Technik in die Hand geben.
Zur Freude der LeWeb-Macher gibt es aber noch Technik-Träumer wie Bruno Maisonnier, den Gründer von Aldebaran Robotics. „Es wird humanoide Roboter in jedem Haus, jedem Laden geben“, verkündet er nach der Unterhaltung mit einem von seiner Firma entwickelten Roboter-Jungen. „Roboter, die ihre Emotionen erkennen und entsprechend handeln.“ Fast direkt auf den Franzosen, der vom Bankier zum Roboter-Enthusiasten wurde, folgt aber Microsoft-Manager Nadella mit mahnenden Worten für alle Zukunfts-Orakel. „Man neigt dazu, die echte Zukunft zu verkennen, während man bemüht ist, seine eigenen Vorstellungen davon durchzusetzen“, sagt der Chef der Cloud-Sparte, der auch als ein Top-Kandidat für die Konzernspitze gilt.