Messenger-Programme attackieren SMS
Berlin (dpa) - 160 Zeichen verschicken und 20 Cent bezahlen? Die SMS scheint vielen teuer und überholt - angesichts neuer Messenger-Programme, die unendliche Zeichen kostenlos von Smartphone zu Smartphone schicken.
Mobilfunkanbieter fürchten um ein Millionengeschäft.
Genauso schnell, genauso einfach - aber umsonst: „Wir bieten eine mobile Message-App, mit der du Nachrichten schicken kannst, ohne für eine SMS zu bezahlen“, wirbt die Firma „WhatsApp“ kämpferisch und legt damit den Finger in die Wunde der Mobilfunkanbieter. Denn Messenger-Dienste für Smartphones können längst all das, was eine SMS kann - und mehr: Die Beschränkung auf 160 Zeichen entfällt und das Ganze ist kostenlos. Bis zu 40 Prozent des SMS-Aufkommens könnte sich in den kommenden vier Jahren auf die Messenger-Dienste verschieben, prophezeien Branchenexperten wie Roman Friedrich von der Unternehmensberatung Booz & Company.
Immer neue Messenger-Programme drängen auf den Markt: Die Apps heißen „Plinger“, „TextMe“ oder „Kik“, die meisten kosten beim Herunterladen weniger als einen Euro oder gar nichts. Gerade hat auch das weltweit größte Online-Netzwerk Facebook seinen Messenger in Deutschland gestartet, er funktioniert inzwischen auf Blackberrys, Androids und iPhones. Der kalifornische Computerkonzern Apple bietet mit seinem Programm „iMessage“ seit dem Sommer aber auch eine eigene, ins Betriebssystem iOS integrierte Chat-Kommunikation. Blackberry punktet schon seit längerem mit seinem „Blackberry Messenger“. Nutzer zahlen nur für die Datenübermittlung per Internet und die ist meist in einem monatlichen Fixpreis inbegriffen.
„Für einige Kundensegmente stellen diese Dienste sicherlich eine Konkurrenz dar“, sagt ein Sprecher der Telekom. Und beim Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) beobachte man die Entwicklung ganz genau, sagt Geschäftsführer Jürgen Grützner. „Sicherlich wird sich hier eine Community entwickeln, die in einem zunehmenden Wettbewerbsverhältnis zur konventionellen SMS stehen.“
Aber noch kann die versammelte Konkurrenz der SMS offenbar nichts anhaben: 2011 sind in Deutschland nach ersten Schätzungen des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) täglich 116,9 Millionen Kurznachrichten über das Handy geschickt worden, mehr als jemals zuvor. „Die SMS hat sich eben bewährt“, sagt Telekommunikationsexperte Friedrich. „Sie ist unmittelbar, direkt und ihre Beliebtheit ist sehr groß. Ein Verschwinden der SMS muss man nicht befürchten.“ Und auch bei der Telekom ist man sich sicher, dass die SMS „auf absehbare Zeit sicherlich nicht komplett ersetzbar“ ist.
Das liegt unter anderem an dem großen Haken der Messenger: Nicht alle Programme können zwischen verschiedenen Smartphone-Anbietern hin und her senden und natürlich muss der Nutzer überhaupt erstmal ein Smartphone haben. In Deutschland ist nach Angaben des Branchenverbands Bitkom derzeit etwa jedes dritte neu verkaufte Handy ein Smartphone. „Aber es werden natürlich immer mehr und damit wächst die Konkurrenz der Messenger“, warnt Friedrich. Mobilfunkanbieter müssten sich darauf einstellen. „Das klassische SMS-Geschäftsmodell wird angegriffen.“
Und das ist ein lukratives - einige Experten sprechen sogar von einer Goldgrube. Um die 20 Cent pro SMS zahlen viele deutsche Handybenutzer. Mittlerweile sind allerdings auch Flatrates weit verbreitet. Die Kosten für den Mobilfunkanbieter sind dagegen gering. Eine Studie des Informatik-Professors Srinivasan Keshav von der kanadischen Waterloo-Universität aus dem Jahr 2009 zufolge, die auf den Daten amerikanischer Mobilfunkbetreiber basiert, liegen sie bei rund 0,3 Dollarcents (rund 0,2 Eurocents) pro SMS. Profitmargen von rund 80 Prozent seien keine Seltenheit.
Insgesamt mache das Geschäft mit den SMS in Deutschland rund zehn Prozent des Gesamtumsatzes der Mobilfunkanbieter aus, sagt Roman Friedrich. Um das zu verteidigen, müsse mit der Zeit gegangen werden - beispielsweise indem den Kunden eigene Messenger-Programme angeboten würden, die gleich auf den Smartphones installiert seien. „Das muss sich dann gar nicht negativ auf den Umsatz auswirken, sondern kann sogar positiv werden.“