Musikverbands-Chef: In Deutschland mögen noch viele die CD
Berlin (dpa) - Neue Streaming-Angebote haben im ersten Halbjahr erstmals wieder für ein deutliches Umsatzplus von 4,4 Prozent im deutschen Musikmarkt gesorgt.
Zugleich spielt die CD nach wie vor den Großteil des Geldes ein. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI), Florian Drücke, sprach mit der Deutschen Presse-Agentur über die aktuellen Entwicklungen:
Frage: Im internationalen Vergleich fällt Deutschland mit einer immer noch sehr großen Bedeutung der CD auf, während im Rest der Welt Downloads und Streaming führen. Ändert sich das jetzt?
Antwort: Einige interpretieren es als „digitale Langsamkeit“: Wir hatten und haben einen hohen Anteil physischer Tonträger wie die CD. Man sieht jetzt aber wirklich, wie das Streaming-Geschäft in Gang kommt. Es macht nun 12,8 Prozent der Umsätze aus, Ende vergangenen Jahres waren es noch 8 Prozent.
Frage: Muss man damit rechnen, dass die CD-Verkäufe nun mit dem Vormarsch der Streaming-Dienste schnell sinken werden?
Antwort: Der Aufschwung in der Nische bei Schallplatten hat gezeigt, dass sich die Bereiche auch ergänzen können: Also auch junge Menschen, die das Streaming nutzen, kaufen Vinyl. Aber klar ist, die CD-Verkäufe werden weiter langsam zurückgehen, das Wachstum kommt aus dem Streaming - obwohl es auch im Download-Markt dank Album-Verkäufen ein Plus von 3,2 Prozent gab.
Frage: Wie bereiten Sie sich auf diesen Rückgang der CD-Verkäufe vor?
Antwort: Ich denke, der Schlüssel ist die Vielfalt des Angebots. Es gibt weiterhin sehr viele Menschen in Deutschland, die die CD mögen. Wir müssen den Kunden dort abholen, wo er ist — er sagt es einem dann schon, wenn er keine CDs mehr haben will. Für die Plattenfirmen bedeutet das aber auch die Herausforderung, dass sie in allen Marktsegmenten aktiv sein müssen. Was man auch nicht vergessen darf: 40 Prozent der Musiknutzung findet über das Radio statt.
Frage: Kann man eine Altersgrenze bei der Streaming-Nutzung ausmachen?
Antwort: Laut unserer Studie ist der durchschnittliche Streaming-Nutzer 33 Jahre alt und männlich. Aber jeder Dienst versucht, breitere Nutzer-Schichten anzulocken, zum Beispiel gibt es auch Klassik-Angebote.
Frage: Zugleich entscheidet sich ein Großteil der Nutzer von Streaming-Diensten für die werbefinanzierten Gratis-Varianten - und sie bringen der Branche damit kaum Umsatz?
Antwort: Ja, das Geld wird maßgeblich im Premium-Bereich verdient. Aber für uns ist beim allem natürlich wichtig, dass der Wert von Musik in der Bevölkerung respektiert wird. Wenn sich Nutzer im Free-Bereich eines Streaming-Dienstes aufhalten, ist das schon ein Erfolg, weil es die illegale Nutzung eindämmt, was letztlich auch unser Ziel war und ist.
Frage: Ihre Branche sorgte dabei für Schlagzeilen über Abmahnwellen, die zuletzt nachließen. Gibt es einen Kurswechsel?
Antwort: Das Vorgehen gegen illegale Nutzung ist ja nur ein Zeichen dafür, dass wir als Branche sehr früh damit konfrontiert wurden, unsere Rechte verteidigen zu müssen. Unsere Industrie war die Laborratte der Digitalisierung. Wir haben von Beginn an gesagt: Wir müssen das Angebot verbessern, aufklären und unsere Rechte durchsetzen. Wir haben diese drei Richtungen parallel verfolgt. Das Thema Peer-to-Peer-Abmahnungen war besonders umstritten — auch, weil die Nutzungszahlen wahnsinnig hoch waren. Der Gesetzgeber hat uns die Abmahnung als Mittel eingeräumt, wir haben von vornherein ein milderes Vorgehen bevorzugt, das Modell der Warnung. Heute ist die illegale Nutzung deutlich zurückgegangen, auch wenn sie nach wie vor existiert und erstgenommen werden muss.
Frage: Inzwischen schießen sich viele in der Branche auf die Rolle der Videoplattform YouTube mit dem breiten Angebot an Musik ein. Was ist - auch mit Blick auf die Streitigkeiten mit der Verwertungsgesellschaft Gema in Deutschland - Ihre Position dazu?
Antwort: YouTube ist einer der großen Partner, davon bleibt aber bei der Musikbranche sehr wenig hängen. Es sollte doch klar sein, dass YouTube Musik auch lizenzieren muss. Der Service läuft, da werden erhebliche Umsätze generiert — und da sollen doch alle angemessen daran teilhaben, ob Künstler, Verlage, Labels oder Verwertungsgesellschaften. Ich finde es unzeitgemäß, dass YouTube sich im Jahr 2015 auf die Position eines neutralen Hostproviders zurückziehen kann.