Nokia-Chef Elop sieht die eigene Hütte brennen

Helsinki/Berlin (dpa) - Sieht der neue Nokia-Chef Stephen Elop beim Handy-Weltmarktführer wirklich schon die Hütte brennen? Laut Medienberichten jedenfalls geht der Kanadier in einem Mitarbeiter-Rundbrief beispiellos hart mit dem eigenen Unternehmen ins Gericht.

Nokia sei wie ein Mann, der am Rande einer brennenden Ölplattform steht und sich entweder dutzende Meter tief ins eiskalte Wasser stürzen muss oder dem Tod geweiht ist. Seit Beginn des iPhone-Siegeszugs 2007 habe Nokia bis heute nichts auch nur annähernd Gleichwertiges anzubieten gehabt, soll Elop vergangene Woche in einer Rede vor Mitarbeitern unter anderem gesagt haben.

Der Text wurde dann ins Nokia-Intranet gestellt, berichtete die Zeitung „Helsingin Sanomat“ am Mittwoch in Helsinki. Die Nokia-Zentrale in Espoo schien am Mittwoch wenig dagegen zu haben, dass alle möglichen niederschmetternden Selbstbeschimpfungen des Kanadiers erst im Technologie-Blog „Engadget“ und dann auch von anderen Medien verbreitet wurden. Dementis jedenfalls klingen anders als der Standardsatz aus Nokias Presseabteilung: „Wir kommentieren interne Kommunikation nicht.“

Neben dem Erfolg des iPhone („Apple gehört das obere Ende des Marktes“) hob Elop den Berichten zufolge auch Smartphones mit dem Android-System von Google als weitere tödliche Gefahr auf der „brennenden Plattform“ Nokia heraus: „Google ist zu einem Gravitationszentrum geworden, das viel von der Erneuerung in unserer Branche auf sich zieht.“

Der Weltmarktführer hingegen habe mit seinem Smartphone-Betriebssystem Symbian wichtige Trends verpasst und Zeit verloren. „Nokia, unsere Plattform brennt“, lautete der dramatische Weckruf. Und mit der eigenen Führungsschwäche habe man bei Nokia noch selbst „Benzin ins Feuer gegossen“. Mit sinkenden Marktanteilen und sinkenden Gewinnen hatten auch Nokias jüngste Quartalszahlen diese düstere Darstellung untermauert.

Die Marktposition von Nokia wird sich aus Sicht von Experten in absehbarer Zukunft nicht verbessern. Sie rechne damit, dass sich Nokia dauerhaft irgendwo bei 25 Prozent des Marktes einpendeln werde, sagt etwa Carolina Milanesi vom Marktforschungsunternehmen Gartner. Im vergangenen Jahr fiel der Marktanteil von 36,4 auf 28,9 Prozent. Abschreiben würde sie die Finnen aber noch nicht, sagt Milanesi. Sie könnten noch über günstige Preise punkten.

„Wir gehen zwar davon aus, dass in drei Jahren bis zu 80 Prozent der verkauften Handys Smartphones sein werden. Aber mitnichten werden das nur teure Geräte sein“, meint Milanesi. Die Chance von Nokia liege darin, Verbraucher und Netzbetreiber für günstigere Computer-Telefone zu gewinnen.

Ob das auch zu der von Elop für Freitag in London angekündigten neuen Nokia-Strategie gehören wird, gilt als offen. Sicher dürften dagegen drastische Veränderungen in der Konzernspitze sein, möglicherweise ergänzt durch einen Wechsel beim Betriebssystem für Smartphones.

Wenn schon Nokia von Symbian ins Lager von Android oder Windows Phone 7 wechsle, wäre aus ihrer Sicht Microsoft der bessere Partner. Mit Microsoft hätten die Finnen eine viel gleicheres Verhältnis und könnten auch mehr eigene Akzente setzen, sagte Smartphone-Expertin Milanesi.

Die Spekulationen über einen Wechsel zu Windows Phone 7 wurden auch dadurch angeheizt, dass Elop von Microsoft zu Nokia kam. Helfen könne Nokia, dass die Mobilfunk-Betreiber, die sich früher gegen Nokia-Dienste sperrten, inzwischen Angst vor einer Android-Übermacht hätten. „Nokia ist für sie ein altbekannter, berechenbarer Partner. Google nicht.“