Online-Marktplätze auf Wachstumskurs
Berlin (dpa) - Mit einem Klick folgen gestrickte Fingerpuppen auf selbstgenähte Taschen und Designermöbel. Eine Mischung, mit denen Online-Marktplätze seit Jahren einen Nerv zu treffen scheinen.
„Es gibt einen Trend hin zu Produkten, die einzigartig sind oder einen Wert bieten, der über das rein Materielle hinausgeht“, sagt Dawanda-Gründerin Claudia Helming. Auf ihrer Internet-Plattform bieten Verkäufer ihre selbstgestalteten Produkte in niedriger Stückzahl an. Seit der Marktplatz vor sechs Jahren aus der Taufe gehoben wurde, sind die Nutzerzahlen kontinuierlich gestiegen.
Inzwischen hat Dawanda über zwei Millionen Nutzer. Für dieses Jahr wird ein Umsatz von sieben Millionen Euro erwartet - nach 4,5 Millionen Euro im Vorjahr. Der Handelsexperte Jörg Funder von der Fachhochschule Worms sieht dahinter einen klaren Trend: „In einer Gesellschaft, wo eigentlich jeder alles hat, wird Konsum wieder Ausdruck der Individualität“, meint er. „Wir waren ja sehr lange in einem sehr preisgetriebenen Segment. Und das haben wir hinter uns.“
Laut Kati Krause, Sprecherin des Dawanda-Konkurrenten Etsy, wollen Käufer inzwischen nicht nur Produkte, die sonst keiner hat, sondern auch Informationen über den Verkäufer, den sonst keiner kennt. Die sei über die Online-Marktplätze möglich: „Das ist im Augenblick das Transparenteste, was du haben kannst - außer, du wohnst direkt neben dem Hersteller.“ Ein Trend, der vor allem Frauen anzuziehen scheint: Der typische Dawanda-Kunde sei weiblich, sagt Helming. „Der hat nur sehr wenig männliche Gene.“
Seit 2011 ist die Plattform des US-amerikanischen Unternehmens Etsy auf deutsch zugänglich. Das Geschäftsmodell ist ähnlich wie bei Dawanda: Beide erheben Gebühren für jeden eingestellten Artikel und erhalten eine Verkaufsprovision in Höhe von 3,5 beziehungsweise 5 Prozent.
„Ich vergleiche es ja immer ganz gerne mit der Bio-Bewegung“, beschreibt Helming die über die Jahre gewachsene Lust am Selbermachen. In allen größeren Städten gebe es Märkte, Do-it-yourself-Magazine sind beliebt, und in Wohnzeitschriften seien Rubriken zum Selbermachen enthalten. „Da greift schon eine Entwicklung um sich.“
Der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH) sieht in den Plattformen noch großes Wachstumspotenzial. Vor allem für junge Künstler sei es ein guter Weg, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern, sagt Sprecherin Christin Schmidt. „Gerade junge Künstler oder Start-ups kommen viel schneller in die Branche rein.“
So wie beim Modelabel Costura, das ein Geschäft in Berlin betreibt und weitere Läden beliefert. 2009 kam ein Profil bei Dawanda hinzu. „Einen eigenen Online-Shop haben wir nicht, darum sind wir eben bei Dawanda“, erläutert Mitinhaberin Sabrina Hilbig. Darauf könne sie potenzielle Kunden verweisen. „Die nehmen es dann dankend an und sagen: Ja, kenne ich (...), ich bestelle im Nachhinein vielleicht noch einmal das ein oder andere Teil.“
Neben den Trends zu selbstgemachten Produkten und transparenterem Konsum können Seiten wie Dawanda und Etsy auch auf einen boomenden Internethandel zurückgreifen. Mit 27,5 Milliarden Euro Umsatz rechnet der BVH für 2012 - eine Steigerung um 26 Prozent. Zumindest die selbst gemachten Produkte würden dem restlichen Handel keine Kunden wegnehmen, sagt Schmidt: „Diese Produkte sind eindeutig ein Bereich, der den klassischen Handel, wie wir ihn bisher kannten, ergänzt.“
Bei Dawanda ist die Strategie auf Expansion gerichtet. In mehreren europäischen Städten richtete das Berliner Unternehmen in diesem Jahr Niederlassungen ein, die Mitarbeiterzahl stieg innerhalb eines Jahres von 60 auf 150. In diesem und dem kommenden Jahr wird Dawanda nach eigenen Angaben daher rote Zahlen schreiben.
Die Entwicklung sieht Dawanda-Gründerin Claudia Helming indes noch am Anfang. „Wir erleben dieses Jahr wirklich dann allmählich so den Durchbruch des Handgearbeiteten. Ich glaube, das ist jetzt der Anfang für eine Reise, die noch sehr viel größer werden kann.“