Rauer Ton im Netz: Höflichkeit zählt nicht mehr viel
Münster (dpa/tmn) - Wer im Internet kommuniziert, sollte auf höfliche Umgangsformen achten. Sonst drohen noch Jahre später Folgen, warnt der Medienrechtler Prof. Thomas Hoeren: „Es gibt kein Vergessen im Internet“, sagt der Jurist aus Münster.
Vor allem Teenager unterschätzten das. „Das muss man sich richtig klarmachen. Wenn man dann aus Spaß jemanden anzugehen versucht und meint, man müsse da Mobbing betreiben, ist es nicht damit getan, dass man sich entschuldigt“, so der Professor vom Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Uni Münster.
Denn unbedachte Äußerungen könnten anhaltende Folgen haben: „Da zieht eine ganze Karawane durchs Internet und tut den Leuten noch in 20 Jahren weh.“ Das „niederschwellige Medium“ Internet habe seine Schattenseiten: „Es führt eben auch dazu, dass Menschen sich berufen fühlen, sich da zu äußern, die überhaupt keine Ahnung vom Thema haben und - zum Teil auf unterstem Niveau - erst einmal rumblaffen und rumbellen“, sagte Hoeren. „Ohne dass da Sinn und Verstand dabei ist.“ Der Medienrechtler kritisiert Blogger aber nicht pauschal: „Es gibt in den Blogs sehr viele wichtige Menschen, die einiges bewirkt haben, was die Herstellung einer politischen Öffentlichkeit angeht, die anderweitig auch nicht herstellbar ist.“
Hoeren gehörte in den 1990ern zu den ersten Internet-Nutzern in Deutschland. Damals seien Anstand und gepflegter Umgangston im Netz durch die „Netikette“-Protokolle geregelt gewesen. „Es gab immer eine Art Grundverständnis, wie man miteinander umgeht.“ In der Onlinegemeinde - damals vor allem Wissenschaftler - habe sich keiner durch die Netikette zensiert gefühlt, gegenseitige Rücksichtnahme sei selbstverständlich gewesen. Mitte der 90er Jahre seien diese Regeln noch akzeptiert gewesen. Wenig später sei dann Kritik daran laut geworden. „Und als das Netz sich dann für jedermann geöffnet hat, dauerte es wenige Monate, da sind die Regeln schlicht in Vergessenheit geraten.“
Rüder Umgangston und verbale Aggressionen im Netz sind längst schon bei Teenagern zu beobachten. Wichtig ist nach Hoerens Überzeugung deshalb, dass die Diskussion darüber nicht nur unter Bloggern geführt wird, sondern auch in der Schule. Cybermobbing sei vor allem ein Jugendphänomen. „In den Schulen gibt es schon eine Grundkultur: Alles auszuprobieren, Blödsinn zu erzählen, andere anzuzählen.“ Deshalb sei es wichtig zu vermitteln, dass es eine Ethik des Netzes gibt. Man müsse dem Cybermobber die Frage vor Augen führen: „Wenn Ihr das Opfer seid, was macht das mit Euch?“
Das gilt vor allem für die männlichen Internetnutzer: Fast immer seien sie es, die im Netz herumpöbelten. „Ich bin seit 13 Jahren Richter und habe viel mit internetrechtlichen Fällen zu tun“, sagte Hoeren. „In 95 Prozent der Fälle sind es Männer, würde ich schätzen.“