SAP tritt der Konkurrenz mit Wunderwaffe Hana entgegen
Walldorf/Frankfurt (dpa) - Das Programmieren von Software gilt gemeinhin nicht als sonderlich sexy. Beim globalen Branchenriesen SAP ist das anders. Von der aktuellen Erfindung namens Hana ist die Führungsetage des Dax-Konzerns im nordbadischen Walldorf geradezu elektrisiert.
Mit der Technologie will SAP nichts Geringeres als eine „Revolution“ in der IT-Branche auslösen, verspricht das Führungsduo Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott. Da wird die neue Wunderwaffe Hana schon einmal „wunderschöne Lady“ genannt. Die Herren wirken verliebt.
„Hana ist das am schnellsten wachsende Produkt in der Geschichte von SAP“, sagt McDermott. Die Erfindung macht Datenbanken auch bei umfangreichen Rechenprozessen überflüssig und verlagert die bisher nötigen Schreib- und Lesevorgänge aus Festplatten direkt in den Arbeitsspeicher. Die Folge: Aus dem manchmal stundenlangen Rödeln der Computer werden Sekunden.
Seit dem zweiten Quartal 2011 ist Hana auf dem Markt. 100 Millionen Euro Umsatz sollte die Technik im vergangenen Jahr bringen. Es wurden 160 Millionen Euro. Der kleine, aber feine Nebeneffekt der neuen Wunderwaffe: Sie gefährdet ausgerechnet die Kernkompetenz des SAP-Erzrivalen Oracle - der ist für seine Datenbanken weltberühmt und genau dieses Brot- und Buttergeschäft ist nun von der „Lady“ bedroht.
Hana könnte für SAP ein Dilemma beenden: Bei vielen Anwendungen der Walldorfer wird nämlich eine Datenbanklösung von Oracle mitverkauft. Ein wenig ist das so, als könnte ein Autobauer seine Wagen immer nur mit Motoren der Konkurrenz loswerden - und würde dann plötzlich ein Fahrzeug erfinden, das ohne Motor läuft. Über genaue Abhängigkeiten von den Oracle-Datenbanken will sich SAP nicht äußern. Ein Sprecher drückt es diplomatisch aus: „Wir lassen unseren Kunden die Wahl, auf welcher Datenbank sie ihre Systeme aufsetzen möchten. Und da liegt eine Oracle-Datenbank meist oben auf der Wunschliste.“
SAP hat mit der Hana-Technologie nach eigener Darstellung etwa eineinhalb Jahre Vorsprung vor der Konkurrenz. Bald werden etwa 1000 Entwickler an Hana arbeiten - es soll der ganz große Wurf werden.
Und zumindest beim Zeitfaktor sind die Loblieder von SAP offenbar gar nicht so übertrieben. „Bei Yodobashi, einem großen japanischen Einzelhandelsunternehmen, dauerte die Berechnung von Treueprogrammen früher ganze drei Tage. Heute ist die Berechnung nach zwei Sekunden abgeschlossen“, schreibt SAP. Ein weiteres Beispiel: Nongfu Spring, chinesischer Marktführer bei der Mineralwasserherstellung und -abfüllung, könne seine Geschäftsberichte dank Hana 30-Mal schneller erstellen als früher. Der Monatsabschluss sei 24 Stunden eher fertig. Nongfu Spring nutzte früher Oracle.
Auch in der Berliner Charité nutzen Ärzte die Hana-Technik, wenn sie mit einem Tablet-Computer in der Hand auf Visite gehen. Es geht um datengestützte, individualisierte Behandlung von Krebs. Hana hilft, Erfahrungswerte abrufbar zu machen.
Der Erzrivale Oracle, mit dem sich SAP bis vor kurzem vor Gericht um einen Millardenbetrag stritt, müsse sich angesichts der „Lady“ jedenfalls warm anziehen, sagt ein Kenner der Branche. Hana sei als Datenbank-Lösung eine klare Konkurrenz für Oracle und werde für SAP aus zweierlei Gründen zur Technologieplattform der Zukunft: Erstens um Lösungen des Wettbewerbs - etwa von Oracle und IBM - überflüssig zu machen.
Und zweitens, damit SAP-Produkte für die Cloud von Morgen taugen - die Cloud, das ist die große Wolke von verteilten Rechenzentren im Internet, die IT-Dienste aller Art bereitstellen. Denn dabei sei es Voraussetzung, Massendaten noch schneller zu verarbeiten. „SAP wird künftig alle Entwicklungen Hana-kompatibel machen - ausnahmslos“, sagt der Branchenexperte.
Die Weichen für den Angriff der neuen Wunderwaffe habe SAP über Lizenzmodelle schon gestellt: Sie sollen Kunden die Abkehr von Oracle zu Hana erleichtern. Die „wunderschöne Lady“, in die die SAP-Manager so vernarrt sind, könnte also für die Konkurrenz zur Furie werden.