„SuperMUC“ wird aufgestockt
München (dpa) - Kaum ein Jahr nach seiner Inbetriebnahme muss der damals als schnellster Computer Europas gefeierte SuperMUC in Garching massiv nachrüsten. Die Rechenleistung wird nun verdoppelt - und auch das wird gerade einmal für die folgenden ein, zwei Jahre reichen.
Während der millionenteure Ausbau auf Hochtouren läuft, plant das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) schon den Nachfolge-Rechner - er soll vermutlich bis 2017 kommen und vielfache Kapazität haben.
„Die Rechenleistung ist exponentiell gestiegen“, beschreibt der Vorsitzende des Leibniz-Rechenzentrums Prof. Arndt Bode, die Entwicklung. „Es muss kontinuierlich dafür gesorgt werden, dass die Wissenschaftler auf neueste Technik zugreifen können.“
Im Rechnerraum für den erweiterten SuperMUC werden die Leitungen für die Warmwasserkühlung verlegt, Kabeltrassen liegen neben dem Schacht. Bis 2015 soll die Anlage 6,4 PetaFLOPS bringen, das sind mehr als sechs Billiarden Rechenschritte pro Sekunde - so viele, als würden alle rund drei Milliarden Menschen weltweit parallel an Rechnern arbeiten, die pro Sekunde eine Million Rechenschritte schaffen, vergleicht Bode. Trotz der gigantischen neuen Kapazität ist für ihn klar: „Das Leben des Rechners wird künstlich verlängert.“ Die normale „Lebenserwartung“ liege bei drei bis vier Jahren - die Erweiterung verlängere sie auf fünf bis sechs Jahre.
Welchen Platz der erweiterte SuperMUC unter den Superrechnern haben wird, ist unklar. „Würden wir den Rechner heute zur Verfügung haben, wären wir wieder die Nummer eins in Europa. Es ist aber nicht vorherzusehen, was 2015 Stand ist“, sagt Bode. Die Anlage hatte schon ein halbes Jahr nach der Inbetriebnahme den ersten Platz in Europa an den „Juqueen“ im Forschungszentrum Jülich angetreten, weltweit ist sie gerade noch unter den Top Ten: „Wir sind von Platz vier über Platz sechs auf Platz neun abgefallen.“ Mit der Anlage „Tianhe-2“ hat sich gerade China auf den ersten Platz der Liste der „Top 500“ katapultiert, sie hat 33,86 PetaFLOPS.
Trotz der weltweiten Konkurrenz gelang Wissenschaftlern auf dem SuperMUC kürzlich ein neuer Weltrekord. Sie simulierten das Verhalten von mehr als vier Billionen Teilchen und erhöhten den bisherigen Rekord auf das Vierfache. Damit erreicht die Genauigkeit der Simulation fast tatsächliche Messungen - ein wichtiger Schritt.
Das LRZ als Teil der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hatte nach seiner Gründung 1962 anfangs Wissenschaftler von numerischen Routineaufgaben entlastet, etwa bei Statikberechnungen für Ingenieure. Heute ist es ein Informatik-Dienstleistungszentrum für die Wissenschaft. Im Schnitt wurde die Rechenleistung jeweils nach 13 Monaten verdoppelt. Ähnlich bei anderen Superrechnern: Von 1997 bis 2012 habe sich die Leistung der Superrechner weltweit um den Faktor 1500 vergrößert, sagt Markus Widmer von Intel.
Forscher aus Deutschland sowie 23 weiteren Ländern können den SuperMUC nutzen. Über die Zulassung entscheidet ein internationales Gremium. SuperMUC berechnet Modelle zu den Bewegungen unter der Erdkruste ebenso Auswirkungen von Erdbeben - etwa den katastrophalen Tsunami, der das japanische Atomkraftwerk Fukushima zerstörte. Mit Hilfe von Superrechnern lässt sich darstellen, was im Weltall nach dem Urknall geschah. Autohersteller können in Minutenschnelle neue Designs, Luftwiderstand und Crashfestigkeit virtuell testen und erste Entscheidungen noch vor einem langwierigen Prototypbau treffen.
Vor allem aber in den Sozialwissenschaften und in der Medizin steige der Bedarf an Rechenleistung mit großen Datenmengen, sagt Matthias Brehm, Leiter der Gruppe Anwendungsunterstützung am LRZ. Etwa geht es um Gensequenzen oder Protein-Strukturen, bedeutsam für Verständnis und Therapie von Krankheiten. Auch die Funktionsweise von Organen wie der Lunge kann minuziös nachempfunden werden. Die Forscher hoffen auf Verbesserungen bei der risikoreichen Beatmung lungenkranker Patienten, sagte Wolfgang Wall vom Lehrstuhl für numerische Mechanik der Technischen Universität München.
Mit seiner von IBM entwickelten Warmwasserkühlung spart der SuperMUC viel Energie. Während klassische Rechenzentren etwa 50 ihres Energiebedarfs zusätzlich für die Kühlung brauchen, sind es beim SuperMUC 10 bis maximal 20 Prozent. Schon ist die nächste Generation der Superrechner für etwa 2020 in Sichtweite, die Exaflop-Rechner - doch hier setzt auch der immense Stromverbrauch noch Grenzen. Frisst selbst der energiesparende SuperMUC Strom in Höhe von einigen Millionen Euro jährlich, so bräuchte ein solcher Rechner bei derzeitiger Technik Strom für eine Milliarde Euro, sagt Bode. „Da muss sich technisch noch enorm viel tun.“