Trend zur Vernetzung bestimmt Auftakt der Elektronik-Messe IFA
Berlin (dpa) - Die Das Netz krempelt die Elektronik-Branche grundlegend um. Vom Kühlschrank bis zur Waschmaschine sind immer mehr Haushaltsgeräte vernetzt. Filme oder Musik ziehen sich Menschen aus dem Internet.
Mit 3D-Brillen und Armbändern mit Digitalfunktionen deutet sich schon der nächste Technik-Sprung an.
Elektronik-Industrie will Smartphones zur Steuerungszentrale für Haushalt und Unterhaltung machen. Auf der Branchenmesse IFA, die am Mittwoch für Journalisten begann, wollen Unternehmen dazu zahlreiche Neuheiten vorstellen. „Sie werden auf der IFA kaum ein Produkt ohne Internetanbindung finden“, sagte Hans-Joachim Kamp, Aufsichtsratschef der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik, zum Auftakt der Messe.
Die Smartphone-Hersteller Samsung und Sony werkeln schon am nächsten Schritt der Vernetzung: Beide stellten neue Armbänder mit Internet-Anbindung vor. Samsung steigt außerdem in den Markt der 3D-Brillen ein. Der südkoreanische Elektronikkonzern präsentierte mit der „Gear VR“ sein erstes Headset, mit dem der Nutzer in eine virtuelle Welt eintauchen kann. Das Gerät soll ohne Kabel nutzbar sein und ein besonders hoch auflösendes Display haben. Bei der Entwicklung hat der Konzern mit dem Rivalen Oculus zusammengearbeitet, der als Pionier auf dem Gebiet gilt.
Zugleich kündigte Samsung erwartungsgemäß den Nachfolger seiner Computer-Uhr an. Die Gear S soll unabhängig vom Smartphone am Handgelenk zahlreiche Funktionen bieten, sagte Samsung-Manager DJ Lee. Dank des integrierten UMTS-Moduls lässt sich die Uhr selbst auch zum Telefonieren nutzen. Auch E-Mails zeigt sie an, ohne eine Verbindung zum Smartphone zu haben.
Konkurrent Sony stellte sein Armband „Talk“ vor, das ebenfalls Funktionen des Smartphones übernimmt. Wenn ein Anruf eingeht, wird dieser auf dem Display des Armbands angezeigt und kann auch von dort angenommen werden. Sony-Mobile-Chef Kunimasa Suzuki sieht großes Potenzial für solche kleinen tragbaren Geräte („Wearables“). „In den nächsten zwei bis drei Jahren geht es vor allem um Ergänzungen zum Smartphone“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Mit der „Morpheus“ hat Sony ebenfalls eine 3D-Brille im Angebot. Anders als Samsungs Brille benötigt sie aber eine Kabelverbindung zu einem Computer. Sony will die Videobrille in erster Linie für Computerspiele vermarkten.
Auch Haushaltsgeräte sollen stärker mit dem Internet vernetzt werden. „Die Menschen gewöhnen sich daran, ihr Leben über Smartphones und Tablets zu organisieren“, sagte Reinhard Zinkann vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. So lassen sich Backöfen, Kühlschränke und Waschmaschinen von Siemens, Bosch und Miele künftig mit einer Smartphone-App bedienen.
Die Kunden folgen den Visionen der Branche allerdings eher zögerlich. Bislang habe der Verkauf vernetzter Geräte nur „sehr mühsam im Markt zugenommen“, gab Zinkann zu, der auch Geschäftsführer von Miele ist. Er erwarte, dass sich das nun ändere, weil die Apps inzwischen mehr Funktionen hätten und einfacher zu benutzen seien.
Noch gibt es keine übergreifende Plattform für die Geräte verschiedener Hersteller. Daran müssten die Unternehmen arbeiten, sagte Zinkann. In der europäischen Branche werde darüber nachgedacht. Ein Bosch-Sprecher sagte, Geräte von Siemens und Bosch könnten bereits mit einer einzigen App angesteuert werden.
Die Unterhaltung läuft ebenfalls zunehmend über das Netz. Hier krempeln Streaming-Dienste das Geschäft um. Damit können Nutzer Musik und Videos direkt über das Internet abspielen, statt die Dateien auf den eigenen Rechner herunterzuladen. „Streaming wird den gesamten Medienmarkt revolutionieren“, sagte Klaus Böhm, Medienexperte bei der Beratungsfirma Deloitte. Eine eigene DVD- oder Musiksammlung verliere an Bedeutung.
Deloitte erwartet, dass die Umsätze mit Video-Inhalten und Musik-Streaming stark zunehmen. „Den Download für den Musikkonsum sehen wir als ein auslaufendes Modell an“, sagte Böhm. Das liege auch daran, dass Smartphones, Tablets und Fernseher mit Internetverbindung immer weiter verbreitet seien.
„Die Internetfähigkeit der Geräte ist mittlerweile ein entscheidendes Kaufkriterium in der Unterhaltungselektronik“, sagte Timm Hoffmann vom IT-Branchenverband Bitkom. Noch in diesem Jahr würden voraussichtlich 47 Millionen Bildschirmgeräte mit Internet-Anbindung verkauft. Die Flachbildfernseher hätten daran allerdings nur noch einen Umsatzanteil von 4,6 Prozent. Die Zuschauer machten sich bei ihrem Medienkonsum immer unabhängiger vom linearen Fernsehen.
Panasonic-Europachef Laurent Abadie erklärte gar das Zeitalter des klassischen Fernsehens für beendet. „Für mich ist das TV, so wie wir es aus dem letzten Jahrhundert kennen, tot“, sagte der Manager des japanischen Elektronikkonzerns der dpa auf der IFA. „Die Menschen werden sich sicher auch weiterhin noch große Sportevents auf dem Fernseher anschauen“, sagte Abadie. Aber sie nutzten zur gleichen Zeit Online-Netzwerke wie Twitter oder Facebook auf mobilen Geräten.