Ultradünnes Glas verspricht dicke Geschäfte in der IT-Branche
Mainz (dpa) - Ein Laser sticht winzige Löcher in eine dünne Glasscheibe. Stolz zeigt ein Mitarbeiter den Besuchern das Ergebnis - die kleine Gasscheibe steht bei der Schott AG in Mainz für eine Technik, mit der sich das 131 Jahre alte Unternehmen neu erfinden will.
Durch die Löcher im Glas können Leitungen geführt werden, die elektronische Bauteile wie Prozessor oder Datenspeicher miteinander verbinden. „Je kürzer die Leiterbahn, desto geringer der Energieverlust und desto länger die Batterielaufzeit etwa bei einem Smartphone“, erklärt Projektleiter Rüdiger Sprengard im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Auch das Tempo bei der Übertragung von Daten kann so gesteigert werden.
„Eine kurze Leitung ist immer schöner als eine lange Leitung, nicht nur im Alltag“, sagt der Materialexperte Richard Matz vom Siemens-Forschungszentrum. Glas biete den Vorteil, dass es sehr spannungsfest und gleichzeitig thermisch robust und zuverlässig sei. „Das Packaging von Bauelementen (also die kompakte Unterbringung in einem Gehäuse) verspricht mehr Leistung und bietet der Branche neue Anwendungsmöglichkeiten.“
Beim Einsatz von Glas anstelle von Silizium könne das Tempo beim Datentransfer von Prozessoren aufgrund der höheren elektronischen Isolation im Vergleich zum bisherigen Stand der Technik verachtfacht werden, sagt Sprengard. Eine zehnmal so hohe Geschwindigkeit sei beim Datentransfer von Speicherbausteinen möglich.
Der eigentlich sehr spröde Werkstoff Glas kann durch chemische Eingriffe wie den Austausch von Ionen sowie spezielle Schneid- und Produktionstechniken extrem dünn und biegsam gemacht werden. Die Scheiben sind dann nur noch 50 Mikrometer dick - das entspricht etwa einem menschlichen Haar. In den Laboren werde aber bereits an der Entwicklung von Dünnstgläsern mit zehn Mikrometern gearbeitet, erzählt Schott-Forschungsvorstand Hans-Joachim Konz.
Zusammen mit dem US-Unternehmen Corning und den beiden japanischen Herstellern Nippon Electric Glass (NEG) und Asahi Glass gehören die Mainzer zu einem Quartett von Unternehmen, die bei der Entwicklung von ultradünnem Glas den Ton angeben. Schott nahm die Entwicklung der Technik vor ungeführ fünf Jahren auf. Seit 2014 ist das Unternehmen dabei, mit Kunden spezifische Lösungen zu entwickeln und so in die Markterschließung einzusteigen. In ersten Produkten ist Ultradünnglas bereits eingebaut - etwa als Infrarot-Sperrfilter in Smartphone-Kameras.
Beim Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) in Berlin sagt der Forscher Michael Töpper, Glas biete herausragende Isolationseigenschaften. Damit sei der Werkstoff „eine wichtige Grundlage für den Industrietrend der Integration mehrerer elektronischer Bauelemente in ein Package“.
Solche Packages sind vor allem für Smartphones wichtig, da sie die Miniaturisierung der Geräte weiter vorantreiben können. In Modellen wie dem iPhone 6 oder dem Samsung Galaxy S6 befinden sich nach Angaben Töppers bereits 60 bis 70 Chip-Packages, darunter für Subsysteme wie Mikrofon, Kamera, Lautsprecher oder Display. Und Schott hat die Vision, dass wir einmal ein Smartphone mit einem großen, biegsamem Glas-Display einfach ums Handgelenk binden.