US-Zeitungen beklagen chinesische Hacker-Angriffe
New York (dpa) - Chinesische Hacker scheinen es auf US-Medien abgesehen zu haben: Kurz nachdem die „New York Times“ von einem monatelangen Angriff auf ihre Computersysteme berichtet hatte, wagte sich auch das „Wall Street Journal“ aus der Deckung und erhob ähnliche Vorwürfe.
Hacker seien in das Computernetzwerk der Zeitung eingedrungen und konnten einige Computer vollständig kontrollieren. Das „Wall Street Journal“ ist dem eigenen Bericht zufolge schon seit einigen Jahren Ziel von Hackern aus China. Es sei den chinesischen Hackern offenbar darum gegangen, die Berichterstattung der Zeitung über China zu überwachen, schrieb das weltbekannte Wirtschaftsblatt in seiner Freitagausgabe.
Die Zeitung, die zur News Corp. von Rupert Murdoch gehört, sieht in den Angriffen ein weit verbreitetes Phänomen. Es seien auch andere große Medien davon betroffen wie die Finanznachrichten-Spezialisten Bloomberg und Thomson Reuters. Die Bundespolizei FBI ermittle in der Sache seit mehr als einem Jahr, hieß es unter Berufung auf eingeweihte Personen. Das FBI erwäge sogar, den Fall als Bedrohung für die nationale Sicherheit einzustufen.
Die Übergriffe können Informanten in Gefahr bringen und die Berichterstattung erheblich erschweren, fürchtet die Zeitung. Der jüngste Angriff fand demnach Mitte vergangenen Jahres statt und wurde vom FBI aufgedeckt. Eines der Einfallstore für die Hacker war demnach das Büro der Zeitung in Peking, von dem sie sich Zugang auf das gesamte Netzwerk verschafft hätten.
Das „Wall Street Journal“ habe - ähnlich wie die „New York Times“ - die Angreifer zunächst gewähren lassen und beobachtet, nach was sie genau suchten und wie weit sie schon vorgedrungen seien. Einige Computer seien vollständig unter Kontrolle der Hacker gewesen.
Zu den Zielen der Hacker gehörten dem „Wall Street Journal“ zufolge die Mitarbeiter des Büros in Peking, darunter Jeremy Page, der über den Giftmord an dem britischen Geschäftsmann Neil Heywood berichtet hatte. Der Skandal hatte den Spitzenpolitiker Bo Xilai zu Fall gebracht, dessen Frau für das Verbrechen verurteilt wurde. Auch der Büroleiter der Zeitung, Andrew Browne, sei ausspioniert worden.
Verlagssprecherin Paula Keve erklärte, die Sicherheit von Daten sei ein „bestehendes Problem“. Der Verlag arbeite mit den Behörden sowie externen Sicherheitsfirmen zusammen, um Leser, Mitarbeiter und Quellen zu schützen. Das Computer-Netzwerk sei in punkto Sicherheit aufgerüstet worden. Auf Kundendaten hätten es die Eindringlinge nach ersten Erkenntnissen nicht abgesehen gehabt.
Auch bei der „New York Times“ haben sich die Hacker wohl nur für die Berichterstattung der Journalisten und nicht für die Kreditkarten-Daten der Leser interessiert. Bei dem Blatt waren eigenen Angaben zufolge die Passwörter aller Beschäftigten gestohlen worden. Die Angreifer hätten sich danach Zugang zu den Computern von 53 Mitarbeitern verschafft.
Zur Zeit der Attacke im Herbst arbeitete die renommierte Zeitung an einem Bericht über das Vermögen der Familie des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao. Die Angreifer seien offenbar nur an Informationen in diesem Zusammenhang interessiert gewesen zu sein, schrieb die „New York Times“ in ihrer Donnerstagausgabe. Mittlerweile sei das Computer-Netzwerk wieder sicher.
Die Finanznachrichtenagentur Bloomberg hatte im vergangenen Jahr ebenfalls von einer Hacker-Attacke aus China berichtet - während der Arbeit an einem Bericht über das Vermögen der Familie des heutigen Parteichefs Xi Jinping. Die Angreifer seien aber nicht in das Computersystem hineingekommen.
In den USA wird immer wieder über chinesische Hacker-Angriffe auf Unternehmen und Behörden berichtet, darunter der Rüstungskonzern Lockheed Martin, Google mit seinem E-Mail-Dienst Gmail, der IT-Sicherheitsspezialist RSA sowie die US-Handelskammer. Offizielle Stellen in China weisen die Vorwürfe stets zurück, wie auch im Fall von „Wall Street Journal“ und „New York Times“.
Zuletzt häuften sich Angriffe auf die Websites von US-Großbanken, wobei diese eher als Racheaktionen aus dem Iran gedeutet wurden für die internationalen Sanktionen wegen des Atomprogramms.