Verleger 2.0: Internet-Milliardäre entern das Mediengeschäft
New York/Berlin (dpa) - Sind Internet-Milliardäre die neuen Heilsbringer der Medienbranche? Erst kaufte Amazon-Gründer Jeff Bezos die traditionsreiche „Washington Post“, jetzt hat sich der ebenfalls milliardenschwere Ebay-Mitgründer Pierre Omidyar die Mammutaufgabe vorgenommen, ein ganz neues Medienunternehmen aus dem Boden zu stampfen.
Sein Ziel: Enthüllungs-Journalisten bei der Suche nach der Wahrheit den Rücken zu stärken. Sein Partner: Der Blogger und Reporter Glenn Greenwald, der mit seinen Berichten über die Enthüllungen des Informanten Edward Snowden zum Weltstar des investigativen Journalismus aufgestiegen ist.
Es ist der ehrgeizige Versuch eines reichen Mannes, die Welt zu verändern. „Ich will einen Weg finden, gewöhnliche Leser in engagierte Bürger zu verwandeln“, verkündete Omidyar in einem Blogeintrag. „Ich war schon immer der Meinung, dass die richtige Art von Journalismus ein entscheidender Teil unserer Demokratie ist“, erläuterte er dem Medienprofessor Jay Rosen. Zugleich sei ihm bewusst, dass die brisantesten Enthüllungen verpuffen, wenn sie kein Massenpublikum erreichen. Deshalb soll die neue Plattform von Politik über Wirtschaft und Technologie bis hin zum Sport alles abdecken und so Leser anlocken. „Es kann kein Nischen-Angebot sein.“
Das ist eine wagemutige Ansage. Schließlich wagt sich Omidyar damit auf das hartumkämpfte Terrain etablierter Medien, die trotz jahrzehntelanger Erfahrung oft selbst ratlos den erdrutschartigen Veränderungen in der Branche gegenüberstehen. Zeitungen kämpfen gegen sinkende Auflagen, Werbeerlöse fließen ins Internet, zugleich kann auch ein exklusiver Bericht binnen weniger Minuten von anderen Online-Seiten nacherzählt werden.
Die Quereinsteiger Omidyar und Bezos haben aber zwei Trümpfe in der Hand. Zum einen können sie mit ihren Milliardenvermögen locker jahrelange Verluste verkraften. Zum anderen kennen sie die Technologie genau, die gerade die Medienwelt umpflügt. Omidyar will sich diesen Vorteil zunutze machen: „Unternehmen im Silicon Valley geben viel Geld dafür aus, ihre Nutzer zu verstehen“, sagte er. Als Beispiel verwies er auf den Videodienst Netflix, der genau analysiert, welche Serien und Filme die Abonnenten gerne anschauen.
Omidyar betont, dass sein Projekt noch im Anfangsstadium sei. Dennoch hat er bereits eine klare Vision. So glaubt er, dass ein Erfolgsrezept in der Balance zwischen Bloggen und traditionellem Journalismus liege. Er will Journalisten mit Kompetenz, eigener Stimme und etablierter Leserschaft anheuern. Den endgültigen Schliff sollen hohe Redaktionsstandards geben.
Ironischerweise zielt Omidyar mit seinem Projekt genau auf die Art von Journalismus, mit der sich dank der Snowden-Enthüllungen auch Greenwalds bisheriger Arbeitgeber, die britische Zeitung „Guardian“, etablierte: Er will engagierten politischen Journalismus stärken, der den Mächtigen dieser Welt Grenzen setzt.
Der 46-jährige hätte auch einfach entspannt den Rest seines Lebens auf der malerischen Insel Hawaii genießen können, auf die er sich zurückgezogen hatte. Seit dem Börsengang der Online-Handelsplattform Ebay muss er sich keine Geldsorgen mehr machen. Sein aktuelles Vermögen schätzt das US-Magazin „Forbes“ auf 8,5 Milliarden Dollar.
Doch Omidyar treibt es ins Mediengeschäft. Seit mehreren Jahren finanziert er auf Hawaii das lokale Projekt „Civil Beat“, das Bürgerjournalisten eine Plattform bietet. Er war auch im Gespräch als möglicher Käufer der „Washington Post“. Als er darüber nachdachte, habe er sich gefragt, „was für ein sozialer Einfluss möglich wäre, wenn man dieses Geld in etwas von Grund auf neugestaltetes investieren würde“. Seine erste Kapitalspritze für das noch namenlose Projekt sind symbolischerweise 250 Millionen Dollar - genauso viel wie Jeff Bezos schließlich für die „Washington Post“ bezahlte.
Auch Bezos legte bei der „Washington Post“ den Schwur ab, die journalistische Integrität der amerikanischen Medienikone zu achten. Auch sei er überzeugt, dass sich Medien nicht gesundschrumpfen könnten. Weitere Kürzungen in der Belegschaft würden zum Aus oder „bestenfalls zu Irrelevanz“ führen. Einen etwas anderen Schwerpunkt als Omidyar setzte Bezos dann doch: „Die Regel Nummer eins muss sein: Seid nicht langweilig“, erklärte er bei einem Treffen mit der Redaktion.