YouTuber-Treffen Videodays: Sie werden Teil einer Jugendbewegung
Köln (dpa) - „Lukas! Lukas! Lukas!“ schallt es über den Vorplatz der Kölner Lanxess Arena. Oliver Pensold wird hellhörig. „Er scheint zu kommen, der Herr Rieger“, stellt der 45-Jährige fest.
Und tatsächlich: Lukas Rieger schlendert betont lässig zu seinen wartenden, in erster Linie weiblichen Fans, die sich für Selfies über ein hüfthohes Absperrgitter beugen. Eine der Wartenden: Pensolds Tochter Pia, 13 Jahre alt. Sie sagt, dass sie „den Charakter und die Stimme“ von Lukas Rieger mag, der singt und auf YouTube rund 450 000 Abonnenten hat. Oliver Pensold meint, dass das vielleicht vergleichbar sei wie bei im früher mit Karl-Heinz Rummenigge. Den habe er als Fußballer auch sehr verehrt.
Die sogenannten Videodays in Köln sind traditionell ein Ort, an dem die Unterschiede zwischen Generationen so offensichtlich werden, wie vielleicht an keinem anderen. Seit 2010 treffen sich hier bekannte YouTuber mit ihren Fans - offline. Angefangen hat es mit 450 Leuten, mittlerweile kommen Jahr für Jahr Tausende. 2017 rechnen die Veranstalter mit mehr als 10 000 Besuchern. Online scharen die Stars der Webvideo-Plattform mit ihren Clips über Musik, Schminktipps, Technik oder Comedy allerdings noch mehr Menschen um sich. Videodays-Gründer Christoph Krachten rechnet vor: In diesem Jahr habe man rund 500 Social-Media-Größen versammelt. „Sie haben zusammen eine Reichweite von über 100 Millionen Social-Media-Fans.“
Lukas Rieger, Mike Singer, Bodyformus, SKK, Mario Novembre, Cimorelli - wer jenseits der 30 ist, muss sich die Namen oft erstmal draufschaffen. Vielleicht hat man mal gelesen, dass bei einer Autogrammstunde von Rieger mehrere Teenager kollabierten. Wer Teenie ist, kennt die Namen auswendig. Der Ablauf der Videodays ist allerdings gar nicht so unähnlich zu Auftritten der Rolling Stones oder der Backstreet Boys vor Jahrzehnten. Die Mädchen schreien und wollen Autogramme. Die Eltern halten sich im Hintergrund.
„Es soll womöglich sogar so sein, dass die Eltern es nicht verstehen. Für diese junge Zielgruppe ist wichtig, etwas Eigenes zu haben“, sagt Videodays-Gründer Krachten. Auch das sei kein neues Phänomen in der Menschheitsgeschichte. Und jung kann dabei sehr jung bedeuten. „Ich würde sagen, ein Digital Native beginnt heute bei eineinhalb Jahren. Ich habe ein Nachbarskind, das geht ans Telefon und sagt "Google Elefant", weil es Elefanten sehen möchte“, sagt Krachten.
Wie sich die Szene immer weiter entwickelt, ist an den Videodays gut zu beobachten. Das zweitägige Event beginnt mittlerweile mit einer opulenten Bühnenshow. Die ist leicht zu bestücken, weil viele YouTuber mittlerweile selbst Musik machen, immer häufiger landen sie damit auch in den Charts. Dahinter steht eine komplette Industrie, die YouTuber haben Managements und Werbe-Deals. Und die Videodays haben mit Divimove seit diesem Jahr einen neuen Veranstalter und denken darüber nach, in andere Länder zu expandieren.
Die Szenen vor der Halle überdecken dabei ein wenig, was sonst noch im YouTube-Kosmos passiert. Hannah Thalhammer etwa kann damit gar nicht so viel anfangen. Die 26-Jährige ist mit dem Comedy-Kanal „Klein aber Hannah“ groß geworden. Über den Andrang sagt sie: „Ganz furchtbar“. Es gebe zwar nichts Schöneres, als mit Fans zu quatschen, etwas Zeit zu haben. „Aber so viele Massen. Und alle kreischen und alle weinen und fallen um. Das ist mir zu viel.“ Trotz dieser Skepsis hat sie mehr als 200 000 Abonnenten.