Virtuelle Realität von Google vorerst nur mit Smartphones

Mountain View (dpa) - Google plant auf absehbare Zeit keine Brille für die Anzeige virtueller Realität mit eingebautem Bildschirm, sondern setzt dafür komplett auf Smartphones.

Foto: dpa

Auf lange Sicht werde es zwar viele Formen von Geräten geben, mit denen man in künstliche Welten eintauchen kann, sagte der zuständige Manager Andrey Doronichev am Rande der Entwicklerkonferenz Google I/O. „Aber wir stehen noch ganz am Anfang. Der Großteil der Welt wird virtuelle Realität in absehbarer Zukunft auf dem Smartphone erleben.“

VR-Vorreiter wie Facebooks Firma Oculus oder HTC bieten Brillen mit eigenem Bildschirm an. Das soll eine bessere Qualität gewährleisten, aber sie müssen an sehr leistungsstarke Computer angeschlossen werden und kosten schon allen 700 bis 900 Euro. Zugleich will Sony eine 400 Euro teure VR-Brille für seine Spielekonsole Playstation verkaufen.

Google stellte auf der Konferenz in Nähe des Hauptquartiers im kalifornischen Mountain View seine eigene Plattform „Daydream“ (Tagtraum) für Inhalte in virtueller Realität vor. Sie soll auf Android-Smartphones laufen. Damit will der Konzern schnell viele Nutzer gewinnen. Das Telefon wird dabei in ein Brillen-Gehäuse mit Linsen eingesteckt und dient als Bildschirm. Auf ein ähnliches Konzept setzt Samsung mit seinem Gehäuse Gear VR. Und Google selbst stellte schon vor zwei Jahren das faltbare Papp-Kästchen „Cardboard“ für einfache VR-Erlebnisse mit eingestecktem Smartphone vor.

Google verlässt sich für „Daydream“ komplett auf die Sensoren im Smartphone, das Gehäuse hat keine. „Wir glauben, dass das Telefon alles nötige an Bord hat“, sagte Doronichev. Zusätzlich gibt es einen kleinen Controller, mit dem man zum Beispiel Gegenstände in der virtuellen Umgebung greifen kann. Google will die Hardware auch selbst produzieren.

Bekannte Smartphone-Anbieter wie Samsung, LG oder HTC wurden bei der Google I/O als „Daydream“-Partner vorgestellt. Leistungsvorgaben für die Hersteller sollen dafür sorgen, dass die VR-Inhalte auf allen Modellen gleich gut laufen. „Die Geräte müssen nicht unbedingt die höchsten technischen Werte haben, aber sie müssen für VR entworfen sein“, sagte Doronichev. „Zwischen dem Augenblick, wenn Sie ihren Kopf bewegen, und dem Moment, wenn sich das Bild auf dem Bildschirm entsprechend ändert, dürfen nicht länger als 20 Millisekunden vergehen. Sonst haben Sie das Gefühl, das etwas nicht stimmt.“ Deshalb müssten unter anderem die Bewegungs-Sensoren und das Display im Telefon besonders schnell reagieren.

Die konkreten Anforderungen an die Geräte will Google in den nächsten Monaten veröffentlichen. Zunächst dürften vor allem Spitzenmodelle sie erfüllen, schätzt Google-Manager Andrew Nartker. Aber die Mittelklasse werde in den kommenden Jahren nachziehen.

Der Kinobetreiber IMAX, der gemeinsam mit Google eine professionelle VR-Kamera entwickelt, plant unterdessen erste Säle für Inhalte in virtueller Realität. In diesem Jahr sollen sechs Standorte in verschiedenen Ländern eröffnet werden, angefangen mit Los Angeles, sagte IMAX-Chef Richard Gelfond dem "Wall Street Journal". Rund zehn Minuten langen VR-Erlebnisse dürften sieben bis zehn Dollar kosten schätzte er. IMAX will Brillen des schwedischen Anbieters Starbreeze nutzen und die Technik soll eine bessere Qualität als Verbraucher-Geräte bieten. „Wir werden dem, was die Leute zuhause machen können, fünf Jahre voraus sein“, sagte Starbreeze-Chef Bo Andersson Klint der Zeitung. Die mit Google entwickelte IMAX-Kamera soll in etwa eineinhalb Jahren für den kommerziellen Einsatz bereit sein.