Vodafone startet SMS-Nachfolger im Mai
Berlin (dpa) - Chats, Videokonferenzen, Dateiversand: Der Nachfolger der SMS ist fast ein Alleskönner. Bislang wurde der Start für das Format RCS-e erst im Sommer erwartet. Doch nun prescht Vodafone vor und stellt sich der Kostenlos-Konkurrenz entgegen.
Die Mobilfunk-Branche schickt die SMS in den Vorruhestand: Ein neues Format soll die gute, alte Kurznachricht langfristig ersetzen. Über RCS-e - international als Joyn vermarktet - können Nutzer nicht nur chatten, sondern auch Dateien verschicken oder sich zu Videokonferenzen treffen. In Deutschland führt Netzbetreiber Vodafone als erster den Service ein: Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa kommen schon Anfang Mai erste Geräte mit dem Multimediadienst auf den Markt. Andere Anbieter wollen bald folgen. Bis die SMS endgültig ausgedient hat, dürften allerdings noch einige Jahre vergehen.
RCS-e steht für „Rich Communication Suite-enhanced“. Zu dieser „reichhaltigen Kommunikation“ gehören textbasierte Chats, Gespräche, Videotelefonate und der Versand von Dateien wie Fotos. All das wird übers Internet abgewickelt, ohne einen ordentlichen Datentarif auf dem Smartphone geht also wenig. Der Verband der Mobilfunkanbieter GSMA bezeichnet das Format kurz und knackig als Joyn - ob dieser Begriff auch in Deutschland verwendet wird, muss aber noch rechtlich geklärt werden.
Mit der klassischen 160-Zeichen-SMS hat die Multimedia-Technik nur noch wenig zu tun. An die Kurznachrichten erinnert aber die nahtlose Integration ins System: Nutzer sollen die Funktionen direkt übers Adressbuch aufrufen und sich unabhängig von einer Plattform austauschen können. Das sei ein Vorteil gegenüber populären Diensten wie WhatsApp, sagt die Expertin Gyanee Dewnarain: „Die Geräte werden von vornherein Joyn-fähig sein, damit können sie Leute jeden Alters intuitiv nutzen“, erklärt die Gartner-Analystin. Für WhatsApp und Co müssen sich Nutzer dagegen eigens anmelden.
Ein weiterer Pluspunkt: Die Technik soll Kommunikationspannen wegen schlechter Verbindungen von vornherein verhindern: „Joyn erkennt Bedingungen wie die Qualität der Netzverbindung des anderen Gerätes und passt sich daran an“, erklärt der GSMA, der den Standard entwickelt hat. Wenn das Netz schwach ist, werden beispielsweise Videotelefonate ausgeblendet. Zukünftige Joyn-Versionen sollen auch in der Lage sein, Textnachrichten in SMS umzuwandeln.
In Spanien soll die Technik im Sommer eingeführt werden. In Deutschland will Vodafone als erster Netzbetreiber Geräte mit RCS-e herausbringen. Schon Anfang Mai soll es so weit sein. Premiere feiert der Standard auf dem Samsung-Flaggschiff Galaxy S II, weitere Smartphones sollen bald folgen. Die Nutzung ist bei den Tarifen mit Internet-Flatrate („SuperFlat Internet“) enthalten.
Andere Anbieter ziehen bald nach: Die Deutsche Telekom will Joyn „zum Sommer hin“ einführen, Telefónica Germany zieht eine Umsetzung in Betracht. Der spanische Mutterkonzern hatte in Barcelona verlauten lassen, RCS-e in seiner Heimat wie auch in Deutschland auf den Markt zu bringen. Die E-Plus-Gruppe beteiligt sich nach Angaben eines Sprechers zunächst nicht und beobachtet, welche „Kundenrelevanz“ das Thema entwickelt. Als Vorreiter galten bislang die spanischen Netzbetreiber, die den SMS-Nachfolger im Sommer starten wollen.
Der neue Standard ist schon seit Jahren in der Mache - dass die Branche ihn jetzt auch offensiv vermarktet, kommt nicht von ungefähr: Die SMS ist zwar nach wie vor ein einträgliches Geschäft. Doch immer mehr Nutzer tauschen sich mit kostenlosen Diensten wie WhatsApp, iMessage von Apple, Google Talk oder dem Facebook Messenger aus und sparen sich die Gebühren. Zusätzliches Geld werden die Netzbetreiber mit dem neuen Dienst kaum verdienen - dafür sei die Gratis-Konkurrenz zu groß, sagt die Gartner-Analystin Gyanee Dewnarain. Es sei aber wahrscheinlich, dass sie den Dienst im Paket mit teureren Tarifen vermarkten - wie bei Vodafone.
Die Frage ist allerdings: Braucht es RCS-e überhaupt? Die Konkurrenz ist groß. Was für den Standard spricht, ist die breite Unterstützung in der Branche - alle großen Hersteller außer Apple haben bereits angekündigt, den Dienst zumindest auf einigen Modellen zu installieren. Auch die Netzbetreiber machen mit. Zudem hofft die GSMA, dass es bald für alle wichtigen Betriebssysteme Apps gibt - auch für Apple-Geräte.
Das könnte dem Standard zu einer großen Reichweite verhelfen - zumindest mittelfristig. „Es wird einige Zeit dauern, bis genügend kompatible Geräte auf dem Markt sind und die Marketingkampagnen der Netzbetreiber dafür sorgen, dass sich der Standard ausbreitet“, sagt Expertin Dewnarain. In der Zwischenzeit erwartet sie immer mehr multimediale Konkurrenz für SMS und Joyn. Ein Trost für die Netzbetreiber: Viele Nutzer haben immer noch ein Handy ohne Internetverbindung in der Tasche. Bis zum endgültigen Ruhestand der SMS dürften also noch einige Jahre vergehen.