Wikipedia will Autorenschwund mit neuer Technik aufhalten
San Francisco (dpa) - Viel Arbeit für wenige Leute: Wikipedia dient Millionen als Nachschlagewerk, doch nur wenige tausend freiwillige Mitarbeiter pflegen die Wissenssammlung im Internet. Zu wenige, meint der Trägerverein - und nimmt Geld in die Hand, um das zu ändern.
Für viele Internet-Nutzer ist Wikipedia eine unverzichtbare Wissensquelle - doch kaum einer beteiligt sich selbst bei dem Mitmach-Lexikon. Dabei ist das Projekt elf Jahre nach seiner Gründung dringend auf mehr Engagement angewiesen, denn die Zahl der aktiven Autoren sinkt. Es sei die „wichtigste strategische Aufgabe, diesen Trend umzukehren“, erklärt der Trägerverein, die Wikimedia Foundation, nun in seinem Jahresbericht. Dafür will die US-Stiftung kräftig investieren. Bis sich das auszahlt, dürfte aber einige Zeit vergehen.
Wikipedia ist ein einmaliges Projekt: Ein Lexikon, an dem alle mitschreiben dürfen, ob Professor oder Packhilfe; als kühne Idee begonnen, heute das globale Nachschlagewerk schlechthin; gegründet von einem Mann - Jimmy Wales -, der sein Geld mit Männerunterhaltung verdiente. Die Zahlen zu diesem unwahrscheinlichen Erfolg sind beeindruckend: Im Mai verzeichneten die Seiten der verschiedenen Wikimedia-Projekte 18,1 Milliarden Seitenaufrufe von 492 Millionen Nutzern.
Doch ein Erfolgsfaktor des Projektes schwindet. Wikipedia verliert nämlich Mitarbeiter. Die Zahl der Autoren, die mindestens fünf Mal im Monat aktiv waren, sank weltweit auf rund 85 000, in Deutschland auf knapp 5000. Sie haben eine Riesenaufgabe: 22,3 Millionen Artikel in den verschiedenen Wikipedia-Ausgaben wollen aktualisiert, erweitert, bebildert und vor Vandalen geschützt werden. Nicht zu reden von den neuen Texten. Das Ziel, bis 2015 sogar 200 000 Stamm-Mitarbeiter zu aktivieren, liegt in weiter Ferne.
Der Wikimedia-Stiftung ist das Problem hinlänglich bekannt, das zeigt der Jahresbericht. Und sie hat mehrere Projekte begonnen, die den Schwund aufhalten sollen. Die Umsetzung dauert allerdings.
Problem Nummer 1: die Technik. Wer einen Artikel anlegen oder bearbeiten will, kann nicht einfach einen Button anklicken und loslegen. Denn die Texte sind in einer Syntax geschrieben, die sich zwar auch ohne Informatik-Studium leicht erlernen lässt, aber viele neue Nutzer abschreckt.
Deswegen arbeitet die Wikimedia-Stiftung an einem sogenannten „Visual Editor“, also einem Bearbeitungsprogramm, das sich so leicht bedienen lassen soll wie eine herkömmliche Textverarbeitung. Das Prinzip lautet: Was Du siehst, ist das, was Du auch bekommst. Allerdings hinkt Wikimedia dem ursprünglichen Zeitplan hinterher; erst kürzlich stellte die Stiftung einen Prototypen vor, bis zu einer breiten Einführung dürften noch viele Monate vergehen.
Problem Nummer 2: der Mangel an Vielfalt. Nur knapp 10 Prozent der Mitarbeiter sind weiblich. Und Mitarbeiter aus dem „Süden der Welt“ seien ebenfalls unterrepräsentiert, mahnt die Wikimedia-Stiftung. Die Geschlechterkluft will sie indirekt verkleinern, indem sie Schulungen anbietet, in denen mindestens 50 Prozent der Teilnehmer Frauen sind. Und in einigen Entwicklungs- und Schwellenländern kooperiert sie mit Mobilfunk-Anbietern, um Handy-Nutzern einen kostenlosen Zugang zum Lexikon zu ermöglichen („Wikipedia Zero“).
Problem Nummer 3: Das Internet wird mobiler, Wikipedia ist aber auf die Nutzung am PC ausgelegt. Die mobile Website ist mittlerweile überarbeitet worden, zudem gibt es Smartphone-Apps. Künftig sollen Nutzer mit dem mobilen Gerät leichter Fotos hochladen und auf dem Mini-Bildschirm Aufgaben erledigen können.
Um diese Ziele zu erreichen, stellt die Stiftung kräftig ein. Die Belegschaft soll im laufenden Geschäftsjahr deutlich von 119 auf 174 Mitarbeiter wachsen. Die Ausgaben steigen von 27,2 auf 42,1 Millionen Dollar. Gleichzeitig will das spendenbasierte Projekt seine Einnahmen aber auch um ein Drittel auf 46,1 Millionen Dollar steigern. Das Wissen der Welt lässt sich nicht zum Nulltarif sammeln und bewahren.