Kryptowährungen — Ein Markt, Getrieben von Massenpsychologie?

Kein anderer Kapitalmarkt wird aktuell so stark von der psychologischen Komponente getrieben wie Bitcoin und Co. Der noch ineffiziente und intransparente Markt für digitale Zahlungsmittel steckt noch in den Kinderschuhen und birgt daher hohe Verlustrisiken, aber durchaus auch Chancen. Wer die hiesigen Marktineffizienzen ausnutzen möchte, sollte sich sowohl mit charttechnischen als auch psychologischen Faktoren des Handels vertraut machen.

Die klassische Psychofalle (Salah-Eddine Bouhmidi, Finanzmarktanalyst bei DailyFX)
Viele private Anleger haben an der Börse ihre Emotionen nicht im Griff und werden von Gier, Selbstüberschätzung, Panik, Angst und Verlustaversion begleitet. Die psychologische Falle an der Börse tritt auf, weil Anleger ihre Verluste in der Regel schwerer bewerten als die Gewinne in gleicher Höhe. Die folgende Darstellung verdeutlicht den Bitcoin Kursverlauf ab Januar 2017 und das typische Kauf- und Verkaufsverhalten eines unerfahrenen Bitcoin Händlers. Lernen Sie aus der „Bitcoin-Fieberkurve“ des unerfahrenen Anlegers und machen Sie nicht dieselben Fehler! Der typische Privatinvestor macht viele psychologische Fehler, weil ihm oft Strategien fehlen und das Chance-Risiko-Verhältnis nicht berücksichtigt wird.

Kauf- und Verkaufsverhalten eines typischen unerfahrenen Bitcoin Anleger


Quelle: IG Handelsplattform, DailyFX Research

Das Jahr 2017 und der Kryptowährungshype
2017 ist bis dato das bedeutendste Jahr im digitalen Coin-Markt, insbesondere für die digitale Leitmünze Bitcoin. Das Jahr begann mit der Ablehnung des Winklevoss-ETF durch die SEC und endete mit der Einführung des Bitcoin Futures. Der Kurs sank hiernach. Als die japanische Notenbank bekannt gab, dass Sie den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel in Japan anerkenne, erholte sich der Kurs wieder. Mit ihrem Schritt bereiteten die Japaner den Weg für eine weitere Akzeptanz des Bitcoins vor.

Erstmals konnte der Kurs konsequent die psychologisch bedeutende 1000-US-Dollar-Marke verteidigen. Der große Ansturm auf den Bitcoin führte dazu, dass er immer mehr an seine Kapazitätsgrenzen gelang. Die Entwickler mussten eine Lösung finden, damit die Schwerfälligkeit der Transaktionen nicht im schlimmsten Fall zum Aus der digitalen Währung führen würde. Es kam zu großen Interessenkonflikten zwischen Entwicklern und Minern. Letztendlich ist es zum Hard-Fork im August 2017 gekommen. Aus der Spaltung resultierte dann der Bitcoin-Cash (BCH), anschließend im Oktober Bitcoin Gold (BTG).

Im September 2017 rollte die erste ernsthafte Regulierungswelle auf den Bitcoin zu. Die chinesische Zentralregierung zeigte sich zunehmend besorgt über die Kapitalexporte aus China und den vermehrten Betrug durch ICO´s. Daher kam es rasch zur Schließung der größten asiatischen Kryptowechselstube. Dies führte zunächst zu kurzfristigen Verwirrungen am Markt. Insbesondere chinesische Anleger hatten als Reaktion ihren Bitcoin-Handel einfach nach Südkorea verlagert. Diese Episode verdeutlicht, dass einzelstaatliche Maßnahmen ihre Wirkung nicht erzielen. Um universelle Regeln im Zusammenhang mit Kryptowährungen zu erstellen, bedarf es einer internationalen Regulierung. Der Kurs des Bitcoin ging indes weiter gen Norden.

Anfang Dezember durchbrach der Bitcoin schließlich die 10.000 US-Dollar-Marke und anschließend sogar fast die 20.000 US-Dollar-Marke. Damit verzwanzigfachte sich der Kurs beinahe allein im Jahr 2017. Der Finanzsektor beobachtete das zuvor verspottete Zahlungsmittel und die sehr viel bedeutendere Blockchain-Technologie schon seit längerem. Er reagierte auf seine Weise: Der Kryptoassetmarkt wurde nicht bekämpft oder ignoriert, sondern es wird versucht, sich den Markt einzuverleiben. Dies ist besonders durch die Einführung des Bitcoin-Futures deutlich geworden.

Mit der Einführung der Future-Kontrakte wird es großen institutionellen Anlegern ermöglicht, auf fallende Kurse zu spekulieren. Seit der Einführung des Futures hat der Kurs eine signifikante Konsolidierung erfahren. Der starke Druck auf den Bitcoin und seine Ankunft im Mainstream, gab anderen alternativen Kryptoassets die Möglichkeit aufzusteigen. Zu Beginn des Jahres 2017 lag die Bitcoin-Dominanz bei rund 90% des Kryptowährungsmarktes. Aktuell liegt die Dominanz des Bitcoins auf einem Rekordtief von 35%. Damit könnte in Zukunft der Bitcoin ggf. von anderen Kryptoassets oder gar von Bitcoin Cash abgelöst werden.

In der letzten Zeit häufen sich auch wieder Hackerangriffe und Manipulationsvorwürfe. Daher stehen Bitcoin und Co. aktuell an einem Scheideweg. Der Machtkampf zwischen den frühen Freigeistern und der klassischen Finanzindustrie tobt bereits.

Ausblick:
Das Jahr 2017 hat bereits die Weichenstellung der früheren Jahre adaptiert. Die Einführung des Futures kann ein Fluch oder auch Segen sein. Die Einführung des Futurehandels könnte ein Wegbereiter für die schleichende Regulierung und Übernahme des Kryptomarktes, durch institutionellen Anleger sein.

Die womöglich bald anstehende Genehmigung einiger Krypto-ETFs und die mögliche Ausdehnung des Futurehandels auf alternative Kryptowährungen können weitere Indizien für eine positive Zukunft sein. Eins steht fest, auch wenn der Kryptomarkt zusammenbrechen sollte, werden die sich dahinter verbergenden Technologien, auf verschiedene Art und Weise, in unseren zukünftigen Alltag etablieren. Die Zukunft von Bitcoin und Co. bleibt ungewiss. Wenn die Geschichte auf der Seite von Bitcoin steht, wird er als “geniales, effizientes, günstiges, demokratisches und extrem stabiles System von Geld” gelten. Wenn Bitcoin dagegen scheitert, könnte die Währung als digitales Schneeballsystem in Erinnerung bleiben. Der Bitcoin ist und bleibt eine Glaubensfrage. Die letztendlich von uns Individuen entschieden wird.

Bitcoin unter der charttechnischen Lupe (Christian Henke, Senior Market Analyst bei IG)
Eine Woche vor dem Weihnachtsfest 2017 dürften viele Anleger die Augen gerieben haben. Die 20.000-USD-Marke war greifbar nahe. Innerhalb kürzester Zeit war der Bitcoin förmlich explodiert. Kurz vor der Bescherung kam es zu einer deutlichen Korrektur. Eine allzu große Überraschung war dies nicht. Aus charttechnischer Sicht hatte sich die Konsolidierung angekündigt. Zwei Faktoren waren schließlich der Auslöser für den anschließenden Kursrutsch.

Im Dezember des vergangenen Jahres hatte sich die Kryptowährung zu weit von dem einfachen 200-Tage-Durchschnitt entfernt. Der Abstand zwischen Kurs und Glättungslinie betrug zu diesem Zeitpunkt mehr als 300%. Ein größeres Warnzeichen gibt es selten. Driften, unabhängig von dem Basiswert, die Notierungen und der beliebte Trendfolgeindikator zu weit auseinander, kommt es auf kurz oder lang zu einer mitunter heftigen Gegenreaktion. So auch geschehen beim Bitcoin. Aber auch der parabelförmige Kursverlauf mahnte zur Vorsicht. Bei dieser Chartformation werden die Trendlinien immer steiler. Es wird zunehmend schwieriger, die Trendlinie zu verteidigen. Lediglich ein Schlusskurs darunter kann Gewinnmitnahmen auslösen. Auch das passierte dem digitalen Zahlungsmittel.

Anschließend hieß es, sich anzuschnallen. Von Mitte Dezember bis Anfang Februar dieses Jahres rutschte der Bitcoin um mehr als 60% in die Tiefe. Erst bei 7.694 USD konnte der Kursfahrstuhl aufgehalten werden. Im weiteren Verlauf setzte dann eine Erholung ein, die ebenfalls sehr deutlich ausfiel. Allerdings ist die Kryptowährung zuletzt an einem so genannten Kreuzwiderstand gescheitert. Bei dieser Chartformation laufen zwei oder mehrere Widerstände zusammen. In diesem Fall war es die psychologische Marke bei 10.000 USD sowie die aus dem Jahr 2017 stammende ehemalige steile Aufwärtstrendlinie bei 9.957 USD. Aber auch die bereits erwähnte 200-Tage-Linie bei aktuell 9.360 USD fiel in die Hände der Bären.

Beim Bitcoin sind starke Kursausschläge keine Seltenheit. Daher könnte es durchaus spürbar abwärts gehen. Als charttechnisches Ziel fungiert das Tief der letzten Abwärtsbewegung bei 5.932 USD vom 6. Februar.

Bitcoin auf Tagesbasis in USD

Quelle: IG Handelsplattform