Abrechnung mit der Burka
interview Eva Schwingenheuer kritisiert in ihrem Comic den Ganzkörperschleier – provozierend, verstörend und auch amüsant.
Düsseldorf. Das Thema sei heikel, sagt Eva Schwingenheuer. Gerade deshalb wolle sie nicht darüber schweigen. Anfang des Monats ist im Eichborn-Verlag ihr Buch "Burka" erschienen: 45 unkommentierte Zeichnungen, die Frauen im Ganzkörperschleier in unterschiedlichen Situationen zeigen.
Beim Friseur, in der Ballettstunde, auch im Zusammenhang mit totalitären Systemen. "Wollt ihr die totale Burka?", ruft eine verschleierte Frau vom Podest herab. "Ja", ruft die Masse zurück. Ein anderer Comic zeigt zwei Burka-Trägerinnen mit roter Pappnase, die rufen: "Allahf".
Eva Schwingenheuer: In erster Linie will ich damit unterhalten, ich möchte, dass die Leute lachen. Der Ausgangspunkt der Zeichnungen war zunächst mein eigenes Befremden über dieses Kleidungsstück. Diese Bilder von diesen vollverschleierten Frauen, die man aus dem Fernsehen kennt oder auch auf der Straße sieht, machen einem schon Angst.
Aber gerade dieser krasse Anblick kann schnell auch komisch wirken. Wenn meine Zeichnungen über die Komik hinaus zu einer gesellschaftlichen Diskussion oder zu Streitgesprächen anregen, ist mir das sehr recht. So lange Frauen Burkas tragen, muss das Thema diskutiert werden.
Schwingenheuer: Das Lachen kommt ja aus meiner Distanz, die ich auf Satire runterbreche. Frauen in Burkas sind als solche nicht lustig, sondern zunächst einmal entindividualisiert. Mit einem Sack über dem Kopf kann man kaum Kontakt zur Außenwelt aufnehmen. Man kann zwar sprechen, aber schon ein Lächeln funktioniert nicht mehr, weil es eben niemand sehen kann.
Mit diesem Kleidungsstück kann man in der Öffentlichkeit kein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben führen. Das finde ich hochproblematisch. Es geht mir einfach um Gleichberechtigung. Wenn beide, Männer und Frauen, Burka tragen würden, wäre es vielleicht etwas anderes. Gleichberechtigung ist ein unveräußerliches Menschenrecht und keine westliche Erfindung.
Schwingenheuer: Ich wehre mich dagegen, dass eine Frau in einer Burka angezogen und geschützt sein soll und ohne vollkommen schutzlos. Angeblich soll sie damit vor den Blicken fremder Männer geschützt werden. Tatsächlich wird sie aber auf das rein Körperliche reduziert.
Schwingenheuer: Nein, letztlich ist es ein Zeichen von Übersexualisierung, genau so wie etwa die allgegenwärtige Nacktheit bei uns. Es macht im Kern keinen Unterschied, ob eine Frau nackt ist oder verschleiert - sie ist immer nur Körper. Die viele westliche Nacktheit sehe ich auch kritisch, aber etwas Schlechtes wird nicht dadurch besser, dass andere es auch schlecht machen.
Und es gibt da noch Unterschiede: Es wird hier keine Frau dazu angehalten, sich zu entblößen, wenn sie das Haus verlässt. Hingegen gibt es aber Frauen, die sich zu verschleiern haben. Die Burka ist ein Kleidungsstück mit einem doppelten Sexismus. Es soll Frauen unsichtbar machen und es reduziert Männer auf triebgesteuerte Menschen, die sich nicht kontrollieren können, wenn sie eine unverschleierte Frau sehen.
Schwingenheuer: Mir geht es überhaupt nicht um Religion oder den Islam. Ich kritisiere einen patriarchalen, konservativen Machtapparat, in dem jeder Schwierigkeiten bekommt, der sich anders als gewünscht verhält.
Abgesehen davon weiß ich nicht, was daran schlecht sein soll, wenn sich Männer und Frauen attraktiv finden. Moral ist eine gesellschaftliche Konvention, die man friedlich verhandeln muss. Verhüllen und separieren sind sicherlich keine geeigneten Methoden.
Schwingenheuer: Ich sehe Frauen in Burka und entwickele dazu einen Standpunkt. Wenn ich nur zu Themen, die mich direkt angehen, einen Standpunkt hätte, dürfte ich zu den meisten Sachen nichts sagen. Ich muss kein Baum im Regenwald sein, um mich für seine Rettung zu engagieren. Ich nehme Anstoß daran, dass sich Frauen verschleiern müssen, wenn sie aus dem Haus gehen.
Schwingenheuer: Das mag schon sein, aber man muss dabei im Kopf haben, dass vermeintlich freiwilliges Handeln durch familiäre oder gesellschaftliche Sozialisation determiniert ist. Die Frage der Freiwilligkeit stellt sich gar nicht, wenn Druck ausgeübt wird oder Sanktionen drohen.
Schwingenheuer: Mir ist es gleich, mit welcher Religion die Vollverschleierung begründet wird. Ich habe keinerlei Verständnis dafür, weil die Burka ein Instrument der Unterdrückung und kein folkloristisches Kleidungsstück ist. Gibt es liebevolles Verständnis für ein System, das Frauen zwingt, unter einem schwarzen Sack zu leben? Von mir nicht.