Kultur Antisemitismus-Vorwürfe: WDR widerruft Präsentation von Roger Waters

Nach Antisemitismus-Vorwürfen steigt WDR 4 aus der Präsentation eines Konzerts von „Pink Floyd“-Gründer Roger Waters aus.

Roger Waters. Archivbild.

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Köln. Mit dem Satz „Die Zusammenarbeit ist beendet“ als Antwort auf eine Anfrage unserer Zeitung hat der WDR am Wochenende einen Schlussstrich unter das Engagement seines Radiosenders WDR 4 für ein Konzert von Roger Waters im kommenden Juni in der Kölner Lanxess-Arena gezogen. Kritik an der Konzertpräsentation hatte es unter anderem in der „Jüdischen Allgemeinen“ gegeben: „Das ist nicht bloß ein Gig. Es ist ein politisches Statement. Waters, vom WDR als ,Weltverbesserer‘ angekündigt, macht seit Jahren weniger als Musiker, sondern vor allem als antizionistischer Aktivist Schlagzeilen“, hieß es am vergangenen Donnerstag in der Wochenzeitung. Überschrift: „WDR proudly presents BDS“.

Mittlerweile haben sich auch der Bayrische Rundfunk und der Südwestfunk von Waters distanziert. Die Tour des Musikers wird nun nicht mehr wie zuerst geplant von den beiden Sender präsentiert.

BDS steht für die gegen Israel gerichtete Kampagne „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“, die den israelischen Staat wirtschaftlich, kulturell und politisch schädigen und unter anderem das Ende der „Besetzung allen arabischen Landes“ erzwingen soll. Getragen wird sie vor allem von palästinensischen Organisationen, von denen etliche offen antisemitisch agieren und das Existenzrecht Israels bestreiten. Roger Waters, in dessen Bühnenshows ein aufgeblasenes mit einem Davidstern bemaltes rosa Schwein abgeschossen wird, gehört zu den lautstärksten Unterstützern der BDS-Kampagne.

Die Kölnerin Malca Goldstein-Wolf hatte unter der Überschrift „Kein Support des Antisemiten Roger Waters durch öffentliche Gelder des WDR“ auf der Internetplattformen Change.org eine Petition an WDR-Intendant Tom Buhrow gerichtet: „Will der WDR tatsächlich das neue ,Kauft nicht bei Juden‘ unterstützen? Und dann auch noch mit öffentlich-rechtlichen Mitteln? Städte wie Berlin, Frankfurt und München haben sich klar gegen diese antisemitische Organisation positioniert und der WDR promotet gar ihren prominentesten Anführer, hilft dabei Judenhass salonfähig zu machen?“ Wenn der WDR und sein Intendant Juden in Deutschland schon nicht schützen wollten, „dann unterstützen Sie wenigstens deren Feinde nicht!“

Buhrow antwortete persönlich, für seine Verhältnisse ungewöhnlich schnell und in angefasstem Tonfall: „Ich spüre, dass nicht viele Worte und Argumente Sie überzeugen werden, sondern nur eine eindeutige Handlung. Die gebe ich Ihnen, denn mir ist wichtig, dass Sie mir glauben, wie wichtig mir Ihre Empfindungen sind. Deshalb komme ich Ihrer Bitte nach: Die Zusammenarbeit für das Konzert ist beendet.“ Ob sich auch andere ARD-Sender, die ebenfalls als Präsentatoren der Deutschland-Tournee von Waters auftreten, sich zurückziehen oder der WDR in dieser Hinsicht auf sie einwirkte, blieb am Wochenende unklar.

Hintergrund von Buhrows schneller Reaktion dürfte sein, dass der WDR etlichen jüdischen Gemeinden und Organisationen mittlerweile als Hort des Antisemitismus gilt. So schrieb die „Jüdische Allgemeine“ im Zusammenhang mit der Waters-Präsentation: „Der Auftritt von Waters passt zum Profil eines Senders, der sich in letzter Zeit bei den Themen Antisemitismus und Antizionismus selbst in die Kontroverse gebracht hat. Da wird, wie bei der Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt — Der Hass auf Juden in Europa“ im Juni, Judenhass klein- und weggeredet. Bei offen antisemitischen Passagen einer Dokumentation über den Rechtspopulisten Geert Wilders ein paar Monate zuvor war man in Köln weniger penibel gewesen. Und jetzt Roger Waters. Wenn so etwas einmal passiert, mag es ein Ausrutscher sein. Zweimal kann man notfalls noch als Zufall verbuchen. Beim dritten Mal drängt sich der Verdacht eines Musters auf.“

Zudem besteht zwischen dem von etlichen jüdischen Gemeinden als skandalös empfundenen Umgang des WDR mit der TV-Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt — Der Hass auf Juden in Europa“ — die Ausstrahlung wurde für Kommentare unterbrochen, mit relativierenden Untertitelungen und einem teils sachlich verfälschenden „Faktencheck“ versehen — und der geplanten Präsentation des Waters-Konzerts ein Zusammenhang. Im angeblichen Faktencheck des WDR zur TV-Doku hieß es: „Es gibt keinerlei Belege dafür, dass der Anschlag auf das Bataclan im November 2015, zu dem sich der IS bekannt hat, antisemitisch motiviert war. Er kann deshalb nicht in eine Aufzählung antisemitischer Attentate aufgenommen werden.“

Am Abend des Pariser Anschlags spielte im Bataclan, das seit Jahren als Austragungsort jüdischer Spenden-Galas von Antisemiten attackiert wurde, die Band Eagles of Death Metal. Wie die „tageszeitung“ nach dem Anschlag berichtete, hatte kurz zuvor die „Jerusalem Post“ von einem Konzert in Tel Aviv geschrieben, bei dem Eagles-of-Death-Metal-Frontmann Jesse Hughes seine Solidarität mit Israel kundgetan hätte: „Einen Ort wie diesen würde ich nie boykottieren!“ Er habe hinzugefügt: „Ich habe mich nie zuvor so zu Hause gefühlt wie hier!“ Daraufhin habe BDS-Aktivist Roger Waters der Band eine böse Mail geschrieben, weil sie in Israel aufgetreten sei. Hughes soll bei dem Konzert in Jerusalem berichtet haben, er habe Waters mit nur zwei Wörtern geantwortet: „Fuck you.“

Der WDR blieb über das Wochenende auf Anfrage unserer Zeitung bei seiner Aussage, der Bataclan-Anschlag könne nicht in eine Liste antisemitischer Anschläge aufgenommen werden: „Dafür liegen uns weiterhin keine Belege vor.“ Ähnlich reagierte der WDR über Jahre auf die antisemitische sogenannte „Klagemauer“ des inzwischen verstorbenen Aktivisten Walter Hermann auf der Kölner Domplatte, der Befestigungssteine seiner als „Israel-Kritik“ eingestuften Hetz-Stellwände sogar direkt vor dem nahen WDR-Gebäude lagerte. Nach der massiven Kritik am Umgang mit der Antisemitismus-Doku hatten Buhrow und der verantwortliche WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn im Oktober überraschend erstmals am Jahresempfang der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf teilgenommen. Der Austausch sei Buhrow „von jeher“ ein wichtiges Anliegen, bestritt WDR-Sprecherin Ingrid Schmitz einen Zusammenhang.