Aufforderung zum Tanz
In der Ausstellung „Move“ werden Besucher zu Akteuren, die kraxeln und turnen.
Düsseldorf. Es kostet Überwindung, den Fuß auf den Turnring zu setzen und sich von einem Ring zum nächsten zu hangeln. Das braucht Kraft und, was noch verzwickter ist, auch die Unbekümmertheit eines Kindes, das Kunst wie ein Spielgerät benutzt. Der Wald aus Turnringen von William Forsythe wurde 2009 auf der Biennale in Venedig präsentiert. Er diente dem Choreographen ursprünglich als Trainingsparcours für seinen kranken Rücken. Die Arbeit ist Teil einer neuen Ausstellung, die am Dienstag in der Düsseldorfer Kunstsammlung eröffnet wird und den Titel „Move. Kunst und Tanz seit den 60ern“ trägt.
Ausgangspunkt ist somit eine Zeit, in der Demokratisierungsbestrebungen feste Kunstformate aufbrachen. Choreographen und Bildhauer, Tänzer und Maler arbeiteten gemeinsam und rückten näher an den Betrachter heran. Dieser sollte, forderten die Künstler, seine Rolle als Konsument aufgeben und Teil des künstlerischen Geschehens werden.
Diesen Gedanken nimmt die Ausstellung „Move“ auf und bietet dem Besucher ein Experimentierfeld. Er ist mit allen Sinnen gefordert, wenn er zum Beispiel in die Installation von Lygia Clark krabbelt. Er muss sich durch ein Dickicht von Luftballons hindurchwinden, um schließlich in einen riesigen durchsichtigen Tropfen zu gelangen.
Überall in der Ausstellung begegnen den Besuchern Tänzer. Sie wurden eigens für „Move“ gecastet und bespielen etwa den theatralen Raum des Amerikaners Mike Kelley. Er nutzt die Schrittfolgen des Modern Dance, um Affekte wie Aggression, Spannung oder Zärtlichkeit abzubilden. Hin und wieder verlassen die Tänzer ihre Bühne und sprechen die Besucher an, beantworten deren Fragen.
Lange Tanzaufführungen gibt es in der Ausstellung nur auf dem Bildschirm zu sehen. An Mediensäulen können die Besucher aus 170 Filmen auswählen, darunter sind auch Ausschnitte aus Stücken von Jan Fabre, Merce Cunningham und Pina Bausch, deren Arbeiten in der Schau ansonsten keine Rolle spielen.
Jedoch findet sich an einer Zitate-Wand auch ein Satz der Wuppertaler Choreographin. Er beschreibt treffend den Geist der Ausstellung: „Es ist merkwürdig, dass schöne Dinge immer etwas mit Bewegung zu tun haben.“
„Move“ wurde bereits in London und München gezeigt und ist jetzt nur noch in Düsseldorf zu sehen. Nach Auskunft von Chefkuratorin Stephanie Rosenthal hat sich die Hoffnung, Kunst nicht nur zum Anschauen, sondern zum Mitmachen zu präsentieren, erfüllt. „Wir sind von der Nachfrage total überrascht worden“, sagt Rosenthal. „Sowohl in London als auch in München mussten wir überlegen, wie wir die Ausstellung wieder beruhigen.“