Comic-Welt trauert um Jean Giraud alias Moebius
Paris (dpa) - Jean Giraud, einer der bedeutendsten Comic-Künstler des 20. Jahrhunderts, ist tot. Der auch unter dem Pseudonym Moebius bekannte Franzose starb am Samstag im Alter von 73 Jahren nach langer Krankheit in Paris.
Völlig gegensätzliche Abenteuer- und Science-Fiction-Comics wie die „Blueberry“-Bände und die Weltraumsaga „John Difool“ machten ihn bei Comic-Fans weltberühmt. „Mit 'Blueberry' unterwerfe ich mich den klassischen Zeichenregeln. Als Moebius plündere ich die Kunstgeschichte und bin zugleich auf der Suche nach einer Art schamanischen Erfahrung“, sagte Giraud einmal in einem „SZ“-Interview über seine gegensätzlichen Arbeitsweisen.
In Deutschland war Giraud vor allem als Moebius bekannt. Unter diesem Namen veröffentlichte der Zeichner und Illustrator von den 70er Jahren an seine Science-Fiction- und Fantasy-Geschichten wie die Difool-Abenteuer. Fans bewunderten dabei vor allem seinen besonderen grafischen Stil, der kaum mehr etwas mit der Pinseltechnik der Giraud-Werke zu tun hatte.
„Moebius wird in gleichem Maße in die Geschichte der Zeichenkunst eingehen wie Dürer oder Ingres“, kommentierte der künstlerische Leiter des Internationalen Comic-Festivals in Angoulême, Benoît Mouchart, am Wochenende. Auch auf das amerikanische Kino habe er einen gewaltigen Einfluss ausgeübt.
Mouchart spielte damit auf Girauds vielfältige Nebenjobs an. Der Franzose arbeitete an Filmen wie „The Abyss“ und „Das fünfte Element“ mit. Für den Hollywood-Erfolg „Alien“ von Ridley Scott entwarf er unter anderem die Raumanzüge. Der Moebius-Comic „The Long Tomorrow“ gilt als visuelle Vorlage für den Science-Fiction-Klassiker „Blade Runner“.
Würdigungen für sein Schaffen bekam Giraud zuhauf. In Deutschland wurde er im Jahr 2000 auf dem Internationalen Comic-Salon in Erlangen mit einem Sonderpreis für sein herausragendes Lebenswerk geehrt. Seine Science-Fiction-Comics seien „Glanzpunkte des Erwachsenencomics“, entschied die Jury damals. 2010 widmete ihm die renommierte Cartier-Stiftung für zeitgenössische Kunst eine Einzelausstellung.
Unter dem Titel „Moebius - Zeichenwelt“ brachte der Autor Andreas Platthaus 2003 eine Monografie über den Zeichner heraus. Er beschreibt darin auch die Anfänge des Künstlers, der 1963 unter seinem bürgerlichen Namen in dem populären Comic-Magazin „Pilote“ sein Debüt mit der Serie „Blueberry“ gab. Das Werk um einen amerikanischen Kavallerie-Leutnant war Ausdruck seiner Liebe zum Western und machte Giraud berühmt. „Wir haben uns gesagt, wir revolutionieren den Western und machen den besten Comic zum Thema den die Welt gesehen hat“, sagte Giraud einmal in einem Interview zu dem Gemeinschaftswerk mit dem Szenaristen Jean-Michel Charlier.
Während Girard mit „Blueberry“ die Vollendung eines Genres betrieb, bemühte er sich als Moebius um einen vollständigen Umsturz der Prinzipien des Comics, schreibt Platthaus. Nicht die handwerkliche Perfektion sollte dabei im Mittelpunkt stehen, sondern Spontaneität und künstlerische Individualität.
Sein Pseudonym Moebius legte sich Giraud in Anlehnung an den deutschen Mathematiker August Ferdinand Möbius zu (1790-1868). Nach ihm ist eine zweidimensionale Struktur benannt, die nur eine Kante und eine Fläche hat. Sie entsteht beispielsweise, wenn man einen längeren Streifen Papier mit beiden Enden ringförmig zusammenklebt, ein Ende aber vor dem Zusammenkleben um 180 Grad verdreht. Vielleicht ein Synonym für seine gespaltene Künstlerexistenz.