„Das Haus“: Autor Maier selbst steht im Zentrum

Frankfurt/Main (dpa) - Das Zimmer, das Haus, die Straße, der Ort - Andreas Maier arbeitet sich in seinem auf elf Bände angelegten Romanprojekt vom Kleinen ins Große vor. Der letzte Teil wird - wenn sich seine Pläne bis dahin nicht geändert haben - „Der liebe Gott“ heißen.

Das Vorhaben eine Familienchronik zu nennen wäre zu kurz gegriffen. Es ist vielmehr der Versuch, eine Landschaft, eine Zeit und ihre Menschen zu bewahren: die Wetterau in den 70er Jahren.

Damit stellt sich Maier, der in „Wäldchestag“ den Mut hatte, einen ganzen Roman im Konjunktiv zu schreiben, selbstbewusst neben Peter Kurzeck, einen weiteren Verfasser stark autobiografisch geprägter Romane aus Hessen. Seit Mitte der 90er Jahre arbeitet Kurzeck an einem mehrbändigen Romanprojekt, das die 80er Jahre in Frankfurt konserviert. Frühere Werke spielen in Gießen und Umgebung, wo er aufwuchs. Kurzeck, der viel gelobte „Chronist der oberhessischen Provinz“ („Die Zeit“), bekommt nun also Konkurrenz von einem zwei Jahrzehnte jüngeren Konservator hessischer Provinzbefindlichkeit.

Zum Glück ist Maiers Roman aber mehr als das: ein Psychogramm. Nach dem behinderten „Onkel J“ aus dem Auftaktbuch „Das Zimmer“ steht im zweiten Band „Das Haus“ nun der Autor selbst im Zentrum - „ein ängstliches Stück Mensch“. Die Käsescheiben am neonhell erleuchteten Abendbrottisch sind „eine Bedrohung“, die Wäschemangel will „alles zermalmen und am liebsten gleich mich oder wenigstens meine Hand und den Arm gleich dazu“, der Tanklastzug mit Heizöl wird zur lebenswichtigen „Infusion“ für das als lebend empfundene Haus.

Der erste Tag im Kindergarten war zugleich der letzte: „Sie handelten nach Gesetzen, die mir völlig verschlossen blieben. Diese Menschen waren eine Gruppe. Die Gruppe funktionierte nach Regeln, die ich nicht kannte und die ich bis heute nicht kenne“, schreibt Maier 2011. „Ich habe auch zwischen Kindergärtnerinnen und den Kindern keinen Unterschied gesehen, der einzige Unterschied war der zwischen mir und allen anderen im Raum.“

In der Schule wurde es nicht besser: „Jeden Tag war ich ein aus der Bahn geworfener Satellit auf dem Schulhof, und alle anderen scheinen ihre feste Umlaufbahn zu haben. Manchmal suchte ich Hilfe, indem ich auf die Straße hinauszutreten versuchte, um mich dort von einem Automobil überfahren zu lassen.“ Es ist schon erstaunlich, wie Maier eine so prosaische Kindheit in Poesie verwandelt, vielleicht ist es die lakonische Distanz zu sich selbst und seiner Umgebung, die das ermöglicht.

In der Mitte seines neuen Romans beschreibt Maier sein Erinnerungs-Konzept: „Daß ich in die mir kaum noch erinnerbare Einfachheit dieser ersten Sprache bzw meiner damaligen Welt zurückkommen muß, um von dort aus alles weitere aufzubauen (...) die ganze Welt bis hin zum lieben Gott.“

Andreas Maier: Das Haus, Suhrkamp Verlag Berlin, 166 Seiten, 17,90 Euro, ISBN 978-3-518-42266-3