Der Jahrhunderttänzer Rudolf Nurejew
Bildband mit 150 historischen Fotografien schildert Lebensweg und Werk.
Düsseldorf. Tänzer? Himmelstürmender Tatarenprinz, König der Lüfte, tanzender Panther. Wenn der junge Rudolf Nurejew (1938 bis 1993) seine endlosen Pirouetten drehte, wenn er aus den Kulissen in die Bühnenmitte sprang, wenn er voller Anmut eine Ballerina hielt, stockte dem Publikum der Atem. Er sprang nicht nur sensationell hoch, er vermochte, für einen Augenblick nur, in der Luft zu stehen oder im Sprung einen Richtungswechsel anzudeuten. Seine technische Virtuosität, seine Aura animalischer Männlichkeit, die verführerischen Nasenflügel - all das machte ihn zum Idol. Beim Anblick dieses Popstars in Strumpfhosen wurden nicht nur Frauen nervös.
Ein Bildband dokumentiert jetzt Rudolf N urejews Leben mit 150 teilweise erstmals veröffentlichten Fotografien - und zelebriert die virile Schönheit eines Ausnahmekünstlers. Vom Ballettunterricht bei dem legendären Lehrer Alexander Puschkin über Nurejews spektakulärsten Auftritt, den Sprung ins politische Asyl am 17. Juni 1961 in Paris, bis zu den großen Bühnenerfolgen. Der Russe, reich und berühmt, strahlt neben Marlene Dietrich, Yves Saint-Laurent, Alain Delon, Sharon Stone.
Nurejews Kunst war nicht nur Talent von Gottes Gnaden, sie war vor allem harte Arbeit. Aus dem Erdensumpf kämpfte er sich zu den Sternen. Geboren 1938 in der transsibirischen Eisenbahn, glänzte er mit sieben Jahren in baschkirischen Volkstänzen, 16-jährig rebellierte er gegen den Vater, einen Politkommissar der Roten Armee, der ihm den Tänzerberuf verbot. Mit 17 Jahren erhielt er ein Stipendium an der Kirow-Ballettschule in Leningrad.
In nur drei Jahren absolvierte das junge Tanzgenie die achtjährige Ausbildung und stieg sofort als Solist in die Compagnie auf. Im Westen gelang Nurejew eine Weltkarriere. Margot Fonteyn holte das enfant terrible ans Royal Ballet London und verlieh ihm Noblesse. Wie kein Tänzer je zuvor veränderte der Russe die Ballettwelt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nurejew emanzipierte und popularisierte die Rolle des männlichen Tänzers.
Zur Ikone aber wurde er, weil er das Zeitgefühl der 60er und 70er Jahre öffentlich lebte mit seiner unverhohlenen Lust am Körper. Nurejew wurde Filmstar, Ballettdirektor, Choreograph. Am Ende sieht man ihn bei seinem letzten öffentlichen Auftritt, von Aids gezeichnet, bei der Premiere von "La Bayadère" an der Pariser Oper. Kurz darauf, 1993, bettete er sich viel zu früh auf dem Olymp der Tänzer.
Nurejew. Bilder eines Lebens, Henschel Verlag Berlin, 184 S., 34 Euro