Die Brüder Grimm und ihre Märchen-Lieferanten
Frankfurt/Kassel (dpa) - Die Hausmärchen haben die Brüder Grimm weltberühmt gemacht. Meist anonym sind aber diejenigen geblieben, die ihnen vor 200 Jahren die Geschichten zugetragen haben.
Ein in der „Anderen Bibliothek“ bei Eichborn erschienener Sonderband holt jetzt die Märchen-Lieferanten ans Licht der Öffentlichkeit. Die Grimm-Forscher Heinz Rölleke und Albert Schindehütte stellen in ihrem Buch „Es war einmal“ 25 der Märchenerzähler vor - und stellen sie gleichberechtigt neben die beiden sammelnden Brüder.
Außer der Adelsfamilie von Haxthausen oder dem Maler Philipp Otto Runge gehören dazu auch der alte Wachtmeister Johann Friedrich Krause oder Dorothea Viehmann, die die Brüder Grimm als „ächt hessische Bäuerin“ bezeichnet haben. In Wahrheit war Viehmann, der rund 40 der Hausmärchen zu verdanken sind, die Witwe eines Schneiders aus einem Dorf bei Kassel, deren Vorfahren französische Hugenotten waren. Als Einzige soll Viehmann auch von den beiden Brüdern ein kleines Honorar für die Zulieferung erhalten haben. Wachtmeister Krause machte es anders: Er tauschte seine Geschichten gegen Hosen ein.
In ihrem Buch dokumentieren die Autoren die Märchen aus der edierten Erstfassung von 1812, die den besten Einblick in den Austausch zwischen den Erzählern und den beiden Märchensammlern erlaubt. In den gefälligeren späteren Fassungen sind die „Zuträger“ immer weniger erkennbar, heißt das Fazit Röllekes. Illustriert hat das Buch Albert Schindehütte, der in Kassel geboren ist und dort erstmals 1985 den Spuren der Grimm-Lieferanten nachging. Einige von ihnen sind erst vor wenigen Jahren namentlich bekanntgeworden.
Der opulente Band, mehrfarbig auf geschöpftem Büttenpapier gedruckt, ist so etwas wie Eichborns Abschiedsgeschenk an Hessen. Nach der Insolvenz im Sommer 2011 ist der Frankfurter Verlag im Dezember von Lübbe (Köln) in Köln geschluckt worden. Die renommierte „Andere Bibliothek“ hat sich der Aufbau Verlag in Berlin gesichert.