Frank Schätzing: So liest man heute
Köln (dpa) - Es beginnt mit einer Toninstallation, einer Collage von Geräuschen, dann betritt Frank Schätzing (56) in völliger Dunkelheit die Rundbühne. Nur sein Gesicht ist in ein bleiches Licht getaucht, das Licht seines Tablets, von dem er einen Auszug seines neuen Bestsellers „Breaking News“ abliest.
Das Wasserglas, das früher auf der Tischplatte stand, gibt es zwar immer noch, aber das ist auch der einzige Link zur Autorenlesung verflossener Zeiten. Schätzings Auftritt bei der Lit.Cologne ist eine Hightech-Show, für die weder Kosten noch Mühen gescheut werden.
Das Setting ist eine mit Kronleuchtern ausstaffierte Fabrikhalle im Multikultiviertel Köln-Ehrenfeld, ungefähr auf halber Strecke zwischen jüdischem Gemeindezentrum und Zentralmoschee. Passend zum Thema des neuen Schätzing-Thrillers, dem Nahostkonflikt.
Blendend schaut er aus, der Frank, der ja auch als Unterwäschemodel eine gute Figur macht, wie man seit neuestem weiß. Nicht dass man es je bezweifelt hätte. Schätzing wird an diesem Abend zwei Stunden lang lesen und sprechen, unterbrochen nur von zwei kurzen Einlagen einer israelischen Sängerin, und sich in dieser Zeit keinen einzigen Versprecher, kein einziges Räuspern leisten. Er ist nicht nur ein formidabler Vorleser, er hat auch schauspielerisches Talent. Fast eine Stunde am Stück berichtet er von seinen Nahost-Erlebnissen, als würde er alles frei von der Leber weg erzählen. Dabei ist der mit Gags gespickte Vortrag bis ins Detail einstudiert.
Als ob das nicht genug wäre, um vor Neid zu vergehen, hat er auch noch eine Stimme, mit der er Bruce Willis synchronisieren könnte. Unterfüttert wird sein Vortrag mit einer Tonspur wie aus einem Hollywood-Film. Man hört den Hubschrauber überfliegen und zuckt zusammen, wenn gleich nebenan irgendwas Schlimmes explodiert.
Sich langsam im Kreis drehend, so dass keiner der um die Rundbühne herum platzierten Zuhörer benachteiligt wird, erzählt Schätzing launig, wie er zusammen mit seinem Verleger Helge Malchow auf Erkundungsreise nach Israel ging. Er beschreibt biblische Landschaften, in denen jederzeit „Charlton Heston als Moses um die Ecke biegen“ kann. Er lässt das Publikum teilhaben an seinem mulmigen Gefühl, wenn ihn breitschultrige, schweigsame Araber in einen Keller führen. Und er formuliert die zu Herzen gehende Botschaft: 24 Stunden da unten - und die von den Medien vermittelten Gut-Böse-Schemata klappen zusammen. „Plötzlich gibt es nur noch Menschen.“
Inmitten der Gewalt haben sich Israelis und Palästinenser ihren Humor bewahrt. Aufschrift eines Schilds im Schaufenster eines Cafés während der Intifada: „In dieser Kneipe findet jeden zweiten Tag ein Anschlag statt. Der letzte war gestern.“ Die Palästinenser erzählen sich unterdessen Witze über unfähige Selbstmordattentäter aus Hebron, dessen Einwohner so etwas sind wie hierzulande die Ostfriesen. Wenn Schätzing die Dinge erklärt, scheint der Nahe Osten wirklich nah. Sein Fazit: Die große Mehrheit da unten will Frieden, wird aber von den Extremisten auf beiden Seiten in Geiselhaft genommen. Es ist gut, das aus berufenem Munde noch einmal bestätigt zu wissen.
Am Ende ein Dank ans tolle Publikum und der Hinweis, dass man im Vorraum das Buch kaufen kann - zumindest das ist noch genauso wie früher. Im Rausgehen sieht man NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ins Gespräch mit dem Autor vertieft. Am Ausgang staut es sich. Zwei Frauen, die offenbar zusammen gekommen sind, warten schweigend nebeneinander. Dann sagt die eine: „Ich mag den Namen des Helden diesmal nicht.“ Die Leute haben auch immer was zu meckern.
(Frank Schätzing, Breaking News. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, - 976 Seiten, 26,99 Euro, ISBN 978-3-462-04527-7)