Gericht: Unseld-Berkéwicz als Suhrkamp-Chefin abberufen
Berlin (dpa) - In einer bisher wohl beispiellosen Entscheidung ist die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz per Gerichtsbeschluss als Geschäftsführerin des Suhrkamp Verlags abberufen worden.
Das Landgericht Berlin setzte am Montag einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung vom November 2011 rückwirkend in Kraft. Das Gericht gab damit dem Minderheitsgesellschafter Hans Barlach recht. Barlach ist zu 39 Prozent am Suhrkamp Verlag beteiligt, Unseld-Berkéwicz hält über eine Familienstiftung die restlichen 61 Prozent.
Der Suhrkamp Verlag kündigte unterdessen Berufung gegen die Entscheidung an. Der Verlag sei über das Urteil „ebenso schockiert wie überrascht“. Zuvor hatte Suhrkamp-Anwalt Peter Raue der Nachrichtenagentur dpa auf Anfrage gesagt, solange die Entscheidung nicht rechtskräftig sei, ändere sich nichts an der derzeitigen Geschäftsführung.
Die Entscheidung des Gerichts bezieht sich zunächst auf die Dachgesellschaft des Verlags. Dem Beschluss zufolge sollen aber auch die beiden Mitgeschäftsführer von Unseld-Berkéwicz abberufen werden. Ein Gerichtssprecher sagte auf Anfrage, der Fall sei wegen der verschiedenen betroffenen Gesellschaften „extrem schwierig“.
Der Vorsitzende Richter Hartmut Gieritz, der als Einzelrichter entschied, erklärte zudem die Entlastung der Geschäftsführung aus dem Jahr 2011 für nichtig. „Es wird festgestellt, dass in der Gesellschafterversammlung ... vom 17.11.2011 folgender Beschluss gefasst worden ist: "Frau U.-B. wird als Geschäftsführerin aus wichtigem Grund abberufen."“, heißt es in der Entscheidung.
Auf Antrag von Barlach verpflichtete das Gericht die Geschäftsführung zudem, rund 282 500 Euro Schadenersatz an den Verlag zu zahlen. Barlach hatte moniert, die Verlagsspitze habe durch die Anmietung von Event-Räumen im Privathaus von Unseld-Berkéwicz dem Verlag geschadet. Die Begründung für die Entscheidungen lag zunächst nicht vor.
Barlach, Enkel des Künstlers Ernst Barlach, betreibt in verschiedenen Verfahren die Ablösung der Verlegerin. Er war 2006 mit seiner Medienholding Winterthur gegen ihren erklärten Willen in den Verlag eingestiegen und hatte zunächst versucht, an der Geschäftsführung beteiligt zu werden. Die Unseld Familienstiftung äußerte öffentlich „erhebliche Bedenken“, ob der Medienunternehmer über die persönlichen und fachlichen Kompetenzen für die Aufgabe verfüge.
In einem weiteren Verfahren in Frankfurt hatte Barlach vergangene Woche sogar die Auflösung des Verlags beantragt. Die Entscheidung soll am 13. Februar verkündet werden. Der Suhrkamp Verlag wird seit 2003 von der Witwe des ehemaligen Firmenpatriarchen Siegfried Unseld geführt. Nach internen Machtkämpfen und Querelen mit bekannten Autoren war das Haus seit dem Umzug nach Berlin zunächst wieder in ruhigeres Fahrwasser gekommen, ehe der Streit mit Barlach eskalierte.
Beide Seiten haben mittlerweile angeboten, die Anteile des jeweils anderen zu übernehmen. Über den Preis gibt es allerdings Streit. Eine solche Lösung zeichnet sich deshalb vorerst nicht ab.