Mo Yan: „Zensur gibt es doch überall“
Der chinesische Nobelpreisträger liefert seinen Kritikern neuen Zündstoff.
Stockholm. Nach der Pressekonferenz des chinesischen Schriftstellers Mo Yan am Donnerstag in Stockholm werden sich die Kritiker des zur Nobelpreisverleihung angereisten Autors bestätigt fühlen. Mo Yan präsentierte sich als „Mann des Systems“, dem kein kritisches Wort zur Unterdrückung von Meinungsfreiheit und der Inhaftierung von Oppositionellen in China zu entlocken war.
Zensur in China? Natürlich sei er „auf der ganzen Welt dagegen“. Andererseits gebe es sie überall, in jedem Land. „Verleumdungen, Verunglimpfungen, Gerüchte und Beleidigungen muss man schon zensieren“, sagte der 57-Jährige, da reiche doch ein Blick ins Internet. Ob er denn Meinungsfreiheit in China sehe, fragte eine Journalistin und erhielt dieselbe Antwort: „Schauen Sie ins Internet, dann wissen Sie es.“
Seine Auszeichnung sieht Mo Yan als „Sieg der Literatur über die Politik“. Über Politik wollte er deshalb in Stockholm möglichst nicht reden — war aber zugleich hochpolitisch.
Auf wiederholte Nachfragen zur Inhaftierung des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo reagierte er zunehmend ungehalten und scharf im Ton. Offen sagte er, dass er sich nicht der von 134 anderen Nobelpreisträgern unterzeichneten Petition für dessen Freilassung anschließen werde. Auf die Frage, ob er denn für eine schnelle Haftentlassung sei, hieß es knapp: „Lassen wir es die Zeit entscheiden.“
„Mo Yan ist ein Zyniker“, schrieb der in Berlin lebende chinesische Autor Liao Yiwu am Donnerstag in der Zeitung „Svenska Dagbladet“. Er schloss sich Herta Müllers Einstufung des diesjährigen Literaturnobelpreises als „Katastrophe“ an.
Mo Yan selbst sieht keine Probleme, außer dass er als berühmter Preisträger nun nicht mehr unerkannt durch Peking radeln könne. Was der Preis für China bedeute? „Ich hoffe, dass die Begeisterung für mich jetzt übergeht in Begeisterung für andere chinesische Schriftsteller.“